Headlines

„Quadratur des Kreises“

„Quadratur des Kreises“
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Viel wurde über die luxemburgische Présidence gelächelt: hier ein paar Häppchen, da etwas Sekt, eine nette Feier – und das war es.

Die Realität zeigt jedoch, wie realitätsfern dieses Klischee ist. Obschon der luxemburgische Ratsvorsitz durch den Vertrag von Lissabon nicht mehr den gleichen Stellenwert wie noch vor einem Jahrzehnt hat, zeigen die diplomatischen Bemühungen des Großherzogtums, wie sehr Luxemburg seiner historischen Vermittlerrolle gerecht wird.

dsabharwal@tageblatt.lu

Im heutigen Tageblatt-Interview beschreibt Außenminister Jean Asselborn die Befindlichkeiten einzelner Staaten, das Zusammenspiel zwischen den europäischen Institutionen sowie den Mitgliedstaaten – und die damit verbundene Komplexität einer kohärenten, gemeinsamen Flüchtlingspolitik, an der Europa sich gerade abarbeitet.

Europäische Schwergewichte

Denn allen Vermittlungsbemühungen zum Trotz bewegen sich Länder wie Ungarn und die Balkanstaaten auf einem gefährlichen Pfad, der zu einer kontinuierlichen Schließung ihrer jeweiligen Grenzen führen könnte. Bislang blieb die Hoffnung, dass europäische Schwergewichte wie Frankreich oder Deutschland durch ihre Handlungen den mahnenden Finger erheben würden.

Allerdings muss man sich die Frage stellen, inwiefern ein Staat wie Deutschland glaubwürdig ist, der seine Grenzen, wie gestern bekannt wurde, zeitweise gen Südeuropa schließt. Niemand will an dieser Stelle die Belastung für die Bundesrepublik kleinreden, allerdings bestätigt der gestrige Beschluss wieder einmal, dass auch in Berlin eine aufgeregte Flüchtlingspolitik betrieben wird.

Keine langfristigen Konzepte

Von langfristigen Konzepten kann nicht die Rede sein. Dass Jean Asselborn aus luxemburgischer Perspektive von einer „Quadratur des Kreises“ in puncto europäischer Flüchtlingspolitik spricht, scheint nicht übertrieben. Selbst die umstrittenen „Hotspots“ dienen den EU-Mitgliedstaaten nicht als gemeinsamer Nenner.

Während das angeschlagene Griechenland an den Außengrenzen Europas für eine Umverteilung der Flüchtlinge plädiert, schalten zahlreiche Staaten auf stur: Ohne funktionsfähige „Hotspots“, bei denen die Flüchtlinge registriert werden, wolle man niemanden umverteilen. Als ob es nicht schlimm genug wäre, dass die Solidarität mit Menschen auf der Flucht an dieser Art von technischen Fragen scheitert, kommt die widersprüchliche und brandgefährliche Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban hinzu.

Widerwärtige Rhetorik

Seine rechtskonservative Politik hat dazu geführt, dass man noch am Vorabend des heutigen Sondergipfels dazu bereit war, auch ohne Ungarn den Vormarsch in der Flüchtlingsfrage zu wagen. Man möchte fast einwenden, dass dies etwas zu leicht für den „Diktator“ aus Budapest ist.

Abgesehen von seiner widerwärtigen Rhetorik, die das Recht auf Asyl an vermeintlich christliches Gedankengut koppelt, hat sein bisheriger Zickzackkurs keinen Sinn ergeben. Sein angestrebter militärischer Umgang mit einer humanitären Problematik unterstreicht zudem, wie wenig Ungarns Regierung zurzeit die europäischen Werte widerspiegelt.

Wer Flüchtlinge als Geiseln im Landesinneren festhält – obschon man sie eigentlich nicht duldet und von den eigenen Landesgrenzen fernhalten will –, leidet unter (innen)politischer Schizophrenie.