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Programme statt Gerüchte

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„Herr Präsident, meiden Sie das nächste Mal den Motorroller! Sixt vermietet Autos mit getönten Scheiben.“ Diesen Werbeslogan des deutschen Autovermieters Sixt, der sich an eine Liebesaffäre des französischen Präsidenten François Hollande anlehnt, kann man gut finden, muss man aber nicht.

Besonders dann nicht, wenn man sich die Frage stellt, ob öffentliche Personen, zu denen auch Politiker gehören, sich gefallen lassen müssen, dass Gerüchte über ihr Privatleben – ob diese nun wahr sind oder nicht – verbreitet werden.

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Gibt man spätestens beim ersten Wahlkampfauftritt die eigene Privatsphäre in der Garderobe ab? Rein rechtlich gesehen selbstverständlich nicht. Angegriffene Personen haben die Möglichkeit, juristische Schritte einzuleiten. Allerdings ist ihnen hiermit häufig nicht gedient, denn zu diesem Zeitpunkt hat ihr Ruf meist schon Schaden genommen. Eine von der Sachkompetenz eines Politikers unabhängige private Geschichte wird oftmals unnötig aufgebauscht. Somit ist dieser quasi gezwungen, den Gerüchten entweder unkommentiert freien Lauf zu lassen, oder er bestätigt beziehungsweise dementiert das jeweilige Gerücht. Aber wer profitiert hiervon? Niemand, denn im Kern geht es darum, dass ein Politiker seine Pflichten erfüllt, sprich seine Wähler vertritt und im Idealfall im Interesse seines Landes agiert.

Was sagt vor diesem Hintergrund eine bestätigte oder dementierte Liebesaffäre über die Sachkompetenz eines Politikers aus? Wurde Bill Clinton wegen seines Seitensprungs mit Monica Lewinsky zu einem schlechteren US-Präsidenten? Oder kann man seine Wirtschaftspolitik dank dem Bekanntwerden seiner Liaison besser beurteilen? Mitnichten. Die Offenlegung des Privatlebens eines Politikers ist weder für die Erfüllung seiner Aufgaben noch für das Allgemeinwohl der Gesellschaft notwendig.

Recht auf Aufklärung

Nun könnte man einwenden, dass Politiker auch eine Vorbildfunktion haben. Selbstverständlich, doch diese gilt nur für die öffentlichen Auftritte – wenn man im Privaten keine Straftat begeht. So hat beispielsweise der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Lothar Späth 1990 auf Kosten eines befreundeten Unternehmers privat Urlaub gemacht. Im Gegenzug erhielt dieses Unternehmen einen öffentlichen Auftrag des Bundeslandes Baden-Württemberg: die sogenannte „Traumschiff-Affäre“.

Ab diesem Punkt gehören die privaten Ferien des Herrn Späth nicht mehr zum reinen Privatleben, denn die Umstände des Urlaubs verstoßen gegen das Gesetz, hier liegt eine Vorteilsannahme vor. Dadurch hat die Bevölkerung ein Recht auf Aufklärung, denn bei einem Verdacht auf einen Gesetzesverstoß wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, welches zum Verlust des Mandats führen kann. Falls das, was hinter Schloss und Riegel passiert, jedoch legal ist, ist es automatisch mit dem Mandat eines Politikers vereinbar und geht die Öffentlichkeit nichts an.

Die kritische Berichterstattung hört nämlich deutlich vor dem Schlafzimmer oder der Strandliege eines Politikers auf. Entscheidet sich dieser allerdings freiwillig dafür, die Öffentlichkeit an seinem Privatleben teilhaben zu lassen, so ist dies sein Recht und seine eigene Wahl, welche ihm nicht von Boulevardjournalisten oder Voyeuristen abgenommen werden sollte. Im Übrigen finden laut einer Umfrage der französischen SonntagsZeitung Journal du Dimanche 77 Prozent der Franzosen, dass das Liebesleben von François Hollande eine private Angelegenheit ist, die nur ihn etwas angeht. Ein Politiker sollte also an seinem Programm und an politischen Fakten gemessen werden und nicht an seinem Privatleben.