Ein Aspekt der Reise erinnerte aber daran, dass die Zukunftsfragen sich nicht ausschließlich auf Ratings, Aktienkurse und Austeritätsprogramme beschränken. Die Luxemburger Delegation hatte in Potsdam Gelegenheit, sich im Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit weltweit führenden Experten in diesem Bereich zu unterhalten bzw. sich die Prognosen der Wissenschaftler am Telegrafenberg anzuhören, einer Forschungsstätte, an der bereits Einstein seine Thesen entwickelte, Michelson seine Experimente machte, Hartmann den stellaren Nachthimmel beobachtete. Und diese Prognosen, die u.a. auch der deutschen und britischen Regierung, den G8, der EU-Kommission … als politische Entscheidungshilfe dienen, sind alles andere als rosig.
" class="infobox_img" />Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu
Die Wissenschaftler um PIK-Direktor Prof. Hans Joachim Schellnhuber machten auf präzise und beeindruckende Weise klar, dass es sich beim Klimawandel nicht um ein Hirngespinst einer Umweltlobby handelt, sondernum eine messbare, nachweisbare und nur mit großenfinanziellen und technischen Anstrengungen in ihren Auswirkungen auf ein erträgliches Maß begrenzbare Realität.
Umdenken in der Energiepolitik
Der Forscher fordert seit mehreren Jahren ein Umdenken in der Energiepolitik und fordert eine kohlenstofffreie Weltwirtschaft. Leider ist zurzeit das Gegenteil der Fall.
Die Kohle erlebt eine Renaissance, dies unabhängig vom Atomausstieg in einzelnen Ländern (Atomkraft macht weltweit nicht einmal zwei Prozent der produzierten Energie aus).
Teures, schmutziges Erdöl wird durch billigere, aber noch schmutzigere Kohle als Energieträger ersetzt. Besonders die großen Verbraucher wie China setzen wieder auf die in hohem Maße verfügbare Kohle, wobei der Kohlendioxidanteil in der Luft nur beschränkt steigen kann. Die Reserven der Erde können – so die PIK-Wissenschaftler – nicht mehr nach dem beurteilt werden, was noch im Boden liegt, sondern nach dem, was die Atmosphäre verträgt. Denn diese Reserven sind weitaus geringer als das Rohstoffpotenzial.
Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Klimapolitik ist somit das, was Prof. Schellnhuber den Einstieg in die Energiewirtschaft des 21. Jahrhunderts nennt. Gemeint sind der schnelle (mit jedem verlorenen Jahr wird der Umstieg teurer) Einstieg in erneuerbare Energien, die Nutzung enormer Einsparmöglichkeiten und ganz allgemein ein kohlenstoffarmes Wirtschaften.
Interessanterweise sieht das Institut einen solchen Wandel als Gemeinschaftsprojekt der Zivilgesellschaft, wobei jeder Einzelne seine Verantwortung übernehmen sollte. Immerhin wünschten sich 90 Prozent der Menschen einen Übergang zu erneuerbaren Energien.
Die Finanzkrise ist dabei allerdings als bremsender Faktor zu sehen: Bei der Finanzierung von Großprojekten regenerativer Energieproduktion zögern Banken und Investoren stärker als in der Vergangenheit.
Die Finanzkrise scheint zurzeit mächtiger als die Klimakrise, stellen die Forscher fest, die allerdings auch ganz klar die Risiken aufzeigen, die bei ungebremster kohlendioxidorientierter Produktionsweise auf die Erde zukommen. Die Meeresspiegel steigen schneller als angenommen, die Erderwärmung hat bereits spürbare Konsequenzen. Dabei nimmt die Energieeffizienz weltweit ab, statt zu steigen.
Die Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang nicht von Klimakatastrophe, sondern von Risiken. Und diese sind auch finanzieller Natur.
Jeder Dollar, der bis 2020 nicht in eine nachhaltige Stromwirtschaft investiert wird, so rechneten die Wissenschaftler aus, bedingt nach 2020 zusätzliche Investitionen von 4,3 Dollar.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können