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Pest oder Cholera

Pest oder Cholera

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Am Dientag (16.10.12) am späten Nachmittag werden nahezu alle führenden Gewerkschaften des Landes (der LCGB hat sich als einzige aus nicht ganz klaren Gründen von der Veranstaltung distanziert) auf der hauptstädtischen place Clairefontaine gegen die von der Regierung geplante Rentenreform demonstrieren.

Es geht dabei um sehr viel.

Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu

Einerseits geht es selbstverständlich um die Rentenreform an sich, schließlich haben OGBL, CGFP, FGFC, FNCTTFEL, Aleba und Syprolux mit ihren Argumenten mannigfaltig erklärt und belegt, dass es sich bei der Pensionsreform um eine Reform der Verschlechterungen, also um Sozialabbau handelt.

Der zuständige Sozialminister Mars di Bartolomeo nutzt seinerseits immer gerne den Begriff „Rente à la carte“, allerdings ist dies, wenn man sich alle Schwachstellen der geplanten Reform ansieht, doch sehr verniedlichend. Oder sind länger arbeiten müssen oder, alternativ hierzu, Leistungskürzungen von bis zu 15 Prozent, um nur dieses Beispiel zu nennen, etwa Verbesserungen? „A la carte“ heißt in diesem Fall wohl die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Andererseits geht es aber auch um die unilaterale, quasi prinzipielle Haltung der Regierung. Fast könnte man von Blockadehaltung sprechen. Zwar wurden die Gewerkschaften mehrere Male von Di Bartolomeo angehört, reagiert auf deren Vorschläge hat der Minister aber nicht. Noch nicht einmal ansatzweise. Derweil aus einigen Parlamentarierkreisen die Arbeitnehmervertreter doch bedingt auf Zustimmung bzw. positive Reaktionen trafen.

Nicht ernst genommen

Einem Außenstehenden ergibt sich hier das (wohl sehr realistische) Bild, dass die Regierung die Gewerkschaften nicht ernst nimmt. Man lässt die Gewerkschaften reden, wohlwissend, dass man nicht gewillt ist, in auch nur einem Punkt nachzugeben und den vorliegenden Entwurf mit allen Mitteln und vor allem ohne jegliche Änderung durchzuboxen versucht. Wo ist hier das famose Luxemburger Modell? Oder anders ausgedrückt: Hier wurde eine klare Chance vertan, das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Regierung und Gewerkschaften etwas zu verbessern.

Eine Erklärung für die starre Haltung der Regierung könnte sein, dass man glaubt, mit dem vorliegenden Projekt eine möglichst große Zustimmung zu erreichen. Oder besser möglichst wenige zu sehr zu verärgern. Vielleicht soll es sich (wir können nur spekulieren) um eine Art Kompromisslösung handeln.

Schließlich gibt es auch in Parlamentskreisen zwar Zustimmung für die Forderungen der Gewerkschaft, aber eben nicht nur. Einigen geht der geplante Sozialabbau nicht weit genug.

Nicht nur auf Seiten der Opposition, sondern sogar auch in den Reihen des CSV-Koalitionspartners würde man, wenn man sie denn ließe, am liebsten viel weiter gehende Einschnitte vornehmen.

Aber eine Entschuldigung für den mangelhaften Reformentwurf ist dies nicht. Besser wäre überhaupt kein Kompromiss als ein fauler Kompromiss.

Die Regierung sollte eigentlich wissen, was sie will: Will sie eine positive, eine innovative und auf lange Sicht ausgelegte Reform? Oder will sie ein „Reförmchen“, das auf kurzsichtigen, finanziellen Überlegungen beruht? Frei nach dem Motto: Irgendwas müssen wir zwar unternehmen, aber bloß nicht zu viel.

Das kann aber nicht das politische Ziel sein.

Wenn LSAP und CSV also das Luxemburger Rentensystem langfristig und nachhaltig neu aufstellen wollen – so wie sie es immer vorgeben –, dann sollten sie auch den Mut haben, dies zu tun. Und den Forderungen der Gewerkschaften Rechnung tragen.