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Parteien aufwachen!

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Die CSV ist stark, weil die anderen schwach sind, meinte ihr Fraktionschef Claude Wiseler dieser Tage. Keine Schlussfolgerung, die einer tiefschürfenden Analyse bedurfte.

Die CSV ist angeschlagen, versucht einen Neustart, ohne derzeit den Norden klar vor Augen zu haben. Dennoch fährt sie in der „Sonndesfro“ im Tageblatt haushohe Gewinne ein. Wenn am Sonntag Wahlen wären, würde die CSV so viele Sitze wie noch nie verbuchen: 27. Bis Oktober 2013 zählte sie deren 26. Mandate verlieren würden LSAP und DP.

Lucien Montebrusco lmontebrusco@tageblatt.lu

Neu ist diese Erscheinung keinesfalls. Wer Verantwortung übernimmt, Entscheidungen trifft, eckt an. Der Oppositionsbonus kommt der CSV umso kräftiger zugute, als die Regierungsparteien neben Kommunikationsfehlern und anderen Tollpatschigkeiten Entscheidungen trafen, die ins Portemonnaie gehen – und wer mag das schon? Insofern müssen sich die regierenden Parteien mit ihrem Schicksal abfinden und sich neu erfinden, um den Wahltest in wenigen Jahren mit einem Minimum an Schrammen bestehen zu können.

Doch das Problem geht über eine Neupositionierung in Sachen Programm und politischer Nachwuchs hinaus. Unserer nicht repräsentativen Online-Umfrage auf Tageblatt.lu zufolge hält fast die Hälfte der Teilnehmer die Parteien als ein Relikt vergangener Zeiten, sie sind nicht reformierbar. Nochmals: Die Umfrage erhebt keinerlei Anspruch auf Repräsentativität. Dennoch deutet sie auf einen bedenklichen Trend hin.

Die Parteien insgesamt müssen sich in Frage stellen. Sind sie noch diese Gebilde, die in konzentrierter Form die politischen Vorstellungen einer Gesellschaft oder großer Teile von ihr wiedergeben? Sind sie noch in der Lage, ein Gesellschaftsmodell zu entwickeln und vorzulegen, das den oftmals auch nicht bewussten Wünschen einer Mehrheit nahekommt? Schaut man sich die Politikverdrossenheit, das Misstrauen, ja die Verachtung an, die der Politik und ihren Akteuren oftmals entgegenschlägt, muss man daran zweifeln.

Die Frage ist jedoch, was an Stelle der Parteien kommen soll, wer jene Regeln erlassen soll, die das Zusammenleben in der Gesellschaft bestimmen. Und vor allem, wie die Demokratie in einer Gesellschaft funktionieren soll – ohne Parteien.

Alle Fragen per Referendum entscheiden ist kaum möglich. Nicht nur, weil die Zahl der anstehenden Entscheidungen schier unüberschaubar ist. Es fehlt dem Wahlberechtigen oftmals ganz einfach am nötigen technischen und politischen Basiswissen, um vernünftig mitentscheiden zu können.

Bis auf Weiteres wird auch unsere Gesellschaft nicht an den Interessengruppen vorbeikommen, die sich Parteien nennen. Doch müssen diese dann auch tatsächlich die Interessen jener wiedergeben, verteidigen und durchsetzen, auf deren Stimmen und finanzielle Unterstützung, etwa durch ihre Steuerzahlungen, sie angewiesen sind. Eine weitere Öffnung der Parteien auf die Gesellschaft ist angebracht. Sie müssen zuhören, was diese sagt, und seien die Äußerungen auch noch so unangenehm. Abgehobenheit ist tödlich, nicht nur für die Parteien, sondern für unsere Demokratie. Die gefährlichen Entwicklungen in unserem Nachbarland Deutschland sind auch diesem Autismus der traditionellen Parteien zu verdanken.