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Oppositionsfrust

Oppositionsfrust
(Tageblatt/François Aussems)

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Gespannt warteten viele politische Beobachter in Luxemburg auf die erste Rede des neuen Oppositionsführers Jean-Claude Juncker im Parlament.

Ganz staatsmännisch begann er, das Regierungsprogramm auseinanderzunehmen. Dann verlor er jedoch die Contenance, stellte die Legitimität der Regierung in Frage und griff Staatsminister Xavier Bettel und Vize-Premierminister Etienne Schneider an. Warum es zu dieser Postenaufteilung gekommen sei? Warum weder der Premierminister noch der Vizepremier den Mut gehabt hätten, die Verantwortung für das doch so wichtige Ressort Finanzen zu übernehmen?
Eine Aufregung, die beim besten Willen nicht zu verstehen ist. Ein Blick über unsere Grenzen genügt: Weder Pierre Moscovici noch Wolfgang Schäuble noch Koen Geens sind Premier- oder Vize-Premierminister bzw. Bundeskanzler oder dessen Stellvertreter. Warum soll das ausgerechnet in Luxemburg der Fall sein? Scheingefechte, weil er sonst keine Angriffspunkte fand? Wohl kaum, denn Juncker ist ein zu guter Rhetoriker, als dass er keine Angriffsfläche fände.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Kritik, Enttäuschung, Verbitterung
Noch immer hat die CSV sich nicht mit ihrer neuen Rolle abgefunden. Minutenlang regte sich Juncker darüber auf, dass die stärkste Partei – die CSV – außen vor gelassen wurde. Offensichtlich kann auch er nicht die einfachen arithmetischen Fakten einer parlamentarischen Demokratie akzeptieren. Für eine Regierungsbildung braucht es mindestens 31 Abgeordnete. Punkt.

Jean-Claude Juncker erklärte gestern Morgen vor den Abgeordneten lang und breit, dass das Koalitionsabkommen zu 80 Prozent aus Maßnahmen bestehe, die entweder die französische Übersetzung des auf Deutsch geschriebenen Wahlprogramms der CSV seien, oder schon von der vorherigen Regierung vorbereitet worden seien. Was bei Claude Wiseler am Dienstag noch wie Kritik klang, kam von Jean-Claude Juncker als Enttäuschung herüber. Wenn so viele Ideen von der CSV übernommen wurden, warum ist sie dann nicht in der Regierung?, heißt es verbittert zwischen den Zeilen.

DP, „déi gréng“ und LSAP haben sich nicht nur zusammengetan, weil sie glauben, in dieser Konstellation schneller Wohnungen bauen zu können, oder weil sie glauben, nur sie könnten die Arbeitslosigkeit effizienter bekämpfen.

Die Frage, die man sich stellen muss, und die Etienne Schneider auch stellte, ist, warum keine Partei mit der CSV reden, geschweige denn koalieren wollte. Eine Mehrheit im Land, ob rot, blau, dunkelrot oder grün, wollte mit der „Tradition“ CSV brechen. Wir schrieben es schon einmal an dieser Stelle: Mit gesellschaftspolitischen Reformen werden nicht die Probleme vieler Tausender in Sachen Beschäftigung und Wohnungsnot gelöst. Allerdings sind die gesellschaftspolitischen Reformen ebenso wie die geplanten Reformen im Staatswesen – die zwanzig Prozent, die nicht von der CSV stammen – notwendig, um unserem Land ein modernes Fundament zu verschaffen, auf dem ein moderner Staat aufbaut. Gesellschaft, Justiz, Staatsrat, Geheimdienst, um nur diese zu nennen, brauchen eine Reform, die schwer mit der CSV vorstellbar wäre.

Der Geheimdienst spioniert unter CSV-„Kontrolle“ seine eigenen Bürger aus. Es war schließlich diese Angelegenheit, die das Fass zum Überlaufen brachte. Es war ihre eigene Arroganz der Macht, die der CSV ein Bein stellte. Dies sollte sie nicht vergessen.