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Ohnmächtige Europäer

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Die Aufregung war groß vergangene Woche in Europa, nach den Enthüllungen über die Spionageaktivitäten der USA in Europa und den Räumlichkeiten der Vertretungen der Europäischen Union.

Immerhin wurden dabei die Grundrechte der europäischen Bürger massiv verletzt, und obendrein fast die Gesamtheit der EU-Staaten und ihre Bürger auf das Niveau eines „Schurkenstaates“ degradiert. Da hätte man sich eigentlich erwarten müssen, dass aus europäischen Hauptstädten wie Berlin, Paris, Rom und Madrid eindeutig unterstützende Worte für die EU-Kommission in Brüssel gekommen wären, um in Washington lückenlose Aufklärung einzufordern.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Stattdessen aber fiel auf, dass sich die Großen der europäischen Politik, sofern sie sich überhaupt dazu geäußert haben, trotz der Schwere der Vorfälle dies in einer relativ zurückhaltenden Art und Weise getan haben. Und selbst jene, die noch wie die EU-Justizkommissarin Viviane Reding anfangs die Eröffnung der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen in Frage gestellt hatten, traten später dann etwas nuancierter auf. Doch muss man der Luxemburger Vertreterin in der Brüsseler Behörde zugutehalten, dass sie umgehend Kontakt zum US-Justizministerium aufgenommen hat und sich eine gemeinsame Expertengruppe gebildet hat, die die Dinge nun klären soll.

Vertrauen verloren

Ansonsten aber haben die Europäer nicht viel zu bieten. Die Androhungen, Abkommen wie jenes über die Weitergabe von Daten über Flugpassagiere oder den Zugang zu Informationen über den Zahlungsverkehr in Europa (Swift) auf Eis zu legen, schaffen es höchstens in eine Resolution des Europäischen Parlamentes. Dass sie auch in die Tat umgesetzt werden, das wird jenseits des Atlantiks kaum befürchtet. Denn auf die europäischen Verbündeten ist Verlass. Vor allem auch, da die Europäer, und insbesondere die Briten, selbst in das große Absaugen von Kommunikationsdaten europäischer Internet- und Handybenutzer eingebunden sind.

Geradezu widersprüchlich wird es, wenn es um den Umgang mit Edward Snowden geht. Wohl öffnete der ehemalige NSA-Mitarbeiter den Europäern die Augen, als er sie wissen ließ, dass sie mit dem Klassiker unter den Spionageinstrumenten ausspioniert würden. Damit waren die EU-Beamten, die nun vor sehr wichtigen Verhandlungen über den Freihandel mit den USA stehen, gewarnt. Sie werden sich dementsprechend nun auch organisieren müssen. Doch gedankt wurde es Edward Snowden nicht. Die EU-Staaten vermieden es, dem Whistleblower Hilfe oder Schutz zukommen zu lassen. Schlimmer noch, sie brachen jegliche diplomatische Konventionen, um das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales zur Landung zu zwingen, da in diesem Edward Snowden vermutet wurde. Und gleichzeitig machen sich die EU-Parlamentarier lächerlich, indem sie in ihrer kurz darauf verabschiedeten Resolution fordern, dass Leuten wie dem Amerikaner internationaler Schutz gewährt werden müsse.

Das Ganze zeigt nur, dass die Verteidigung der Grundrechte und jene, die uns über die Verletzung derselben informieren, auch in unseren europäischen Staaten, die sich als die größten Verfechter der Rechtstaatlichkeit und Demokratie darzustellen belieben, sehr schnell der Staatsräson oder der blanken Machtpolitik unterworfen werden. Da wird es schwierig, noch Vertrauen in jene Staatenlenker aufzubringen, deren erste Aufgabe es sein müsste, diese Grundwerte zu achten.