Was für ein Jahr! Corona über alles. Aber das ist kein austriakisches Spezifikum. Die Pandemie plagt auch den Rest der Welt. Als Österreicher hatte man aber nicht nur dieses vermaledeite Virus samt Mutanten zu ertragen, sondern auch einen Verlust, dessen Schmerzhaftigkeit selbst der große Bruder respektive die große Schwester Deutschland nicht nachzuvollziehen vermag, konnten die sich doch lange und behutsam vorbereiten auf den Einstieg ins Post-Merkel-Zeitalter.
Österreich dagegen wurde völlig unvorbereitet getroffen vom Blitz. Gut, viele hatten ihn schon herbeigesehnt, aber als er dann einschlug, verschlug es doch allen zunächst die Sprache. Mit einem Schlag stand die Alpenrepublik vor der Frage: Wie weiterleben ohne den Messias, der dieses Land um vieles größer gemacht hatte, als es seiner Größe entspricht. Donald Trump hätte ihn – wäre nicht Corona dazwischen gekommen – sogar ein zweites Mal im Weißen Haus empfangen. Wladimir Putin war sogar zur Hochzeit einer Jüngerin des Überirdischen eingeflogen. Selbst Angela Merkel musste sich warm anziehen, wenn der auch von manchen in der Union Angehimmelte vom Olymp am Wiener Ballhausplatz seine Zornesblitze gegen die Wir-schaffen-das-Kanzlerin hinunter donnerte. Und auch Jean Asselborn im noch viel kleineren Luxemburg, der anfangs, als auch der Wiener Guru nur Außenminister war, so etwas wie väterliche Zuneigung für den politischen Lehrbuben erkennen ließ, bekam gezeigt, wo, wie man in Österreich sagt, der Bartl den Most holt. Nix da mit humanitären Spompernadeln* wie der Aufnahme von auf griechischen Inseln gestrandeten Migranten!
Sebastian Kurz wird wiederkehren – nur bloß als ein dem privatwirtschaftlichen Mammon frönender Ex-Guru
„Nie wieder 2015“ war das Credo, mit dem der heilige Sebastian sein türkises Volk aus dem Dasein einer Schrumpfpartei ins Kanaan der Wahlsiege führte – und das in sehr viel weniger als den 40 Jahren, die Moses für den Auszug der Israeliten aus Ägypten gebraucht hatte. Und ausgerechnet dieser Heilsbringer wanderte im Herbst 2021 einfach weiter – ins politische Nirwana. Gerade war Österreich wieder wer im globalen Machtgefüge oder hatte zumindest eine Illusion von Größe und Einfluss. Gerade hatten viele Deutsche wieder einmal einen Österreicher als Sehnsuchtsfigur entdeckt, da verflüchtigt sich selbige auf eine Weise, die man dem Virus gewünscht hätte: von einem Tag auf den anderen, just als man sich daran zu gewöhnen begann, noch lange mit ihm leben zu müssen. Der Messias ist von uns gegangen. Seine Getreuesten tröstet nur noch die Hoffnung auf ein Osterwunder. Doch die Wiederauferstehungswahrscheinlichkeit tendiert gegen null. Dennoch: Sebastian Kurz wird wiederkehren – nur bloß als ein dem privatwirtschaftlichen Mammon frönender Ex-Guru. Es wird das ebenso banale wie profane Nachspiel einer eigentlich als Epoche mit sakralem Anstrich geplant gewesenen Episode.
* Wienerisch: Dummheiten, Schwierigkeiten, Umstände
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