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Nur eine Entgleisung?

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Die Nordstad machte bis vor wenigen Tagen nicht viel von sich reden. Das hat sich aber jetzt abrupt geändert. Doch auf das, was man jetzt aus diesen sechs Gemeinden hört, hätten viele auch gerne verzichtet.

Dies kommt nicht von ungefähr. Noch vor fünf Jahren sprachen sich bei einer TNS/Ilres-Umfrage 90 Prozent der Nordstad-Einwohner für den Erhalt der Eisenbahnlinie Ettelbrück-Diekirch aus. Richtig gelesen: 90 Prozent der Bewohner der Gemeinden Colmar-Berg, Schieren, Ettelbrück, Erpeldingen, Diekirch und Bettendorf sahen die Zukunft des öffentlichen Transports in ihrer Region eher auf der Schiene als auf der Straße.

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Das weiß auch der heute zuständige Minister für Nachhaltigkeit und Infrastruktur, Claude Wiseler. Doch während sich die Befürworter des schienengebundenen öffentlichen Transports in der Nordregion in Sicherheit wähnen, drückt sich Wiseler nun vor seiner Verantwortung und überlässt den sechs Gemeindeführungen die Entscheidung über Zug oder Bus in der Nordstad. Und siehe da, die CSV-Soldaten und andere Kapläne in diesen Gemeinden entschieden sich jetzt dafür, dem straßengebundenen öffentlichen Transport ab 2030 (denn um diese Zeitspanne geht es in Wirklichkeit) den Vorrang zu lassen. In vielen Gemeinden war die Meinung wohl sehr geteilt, mancherorts gab es lediglich den Unterschied einer einzigen Stimme. In Schieren zum Beispiel. Aber nur deswegen, weil ein Gemeinderatsmitglied, das nur bedingt der luxemburgischen Sprache mächtig ist, die Fragestellung nicht richtig verstand und das erste Wort, das er zu diesem Punkt der Tagesordnung gehört hatte, wiederholte: „Bus“.

Schon vergessen?

Dies nur „pour la petite histoire“. Man könnte nun darüber lächeln, doch die Lage ist zu ernst. Hier geht es um die Zukunft nicht nur der Nordstad, sondern auch um die des umweltbewussten öffentlichen Transports allgemein. Hier geht es darum, dass Mitbürger, die in ihrer jeweiligen Gemeinde in der Verantwortung stehen, nicht nur bis zum Horizont schauen sollen, sondern auch darüber hinaus. Hier geht es zudem um einen Schienenstrang, für dessen Erhalt in den 1980er-Jahren ein Großteil der Bevölkerung nicht nur aus dem Norden gekämpft hat. Hier geht es um eine moderne Infrastruktur, in die der Luxemburger Staat Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre satte drei Milliarden Franken investiert hat und die damals von Politikern – auch vonseiten der CSV – als „Aufbruch in ein neues Zeitalter“ bezeichnet wurde.

Allein die Diekircher LSAP-Majorität scheint den Trend der heutigen und morgigen Zeit voll erkannt zu haben, entschied sie sich doch einstimmig für den Zug bzw. für ein schienengebundenes Transportmittel. Der Erpeldinger Bürgermeister sprach sich – sollte die Zuglinie geschlossen werden – für eine Tram-Alternative aus und brachte die Diskussion auf den Punkt: Die Umsetzung der Maßnahmen zum Konzept der Mobilität innerhalb der Nordstad sei eine der wichtigsten Säulen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gesamtregion. In diesem Kontext sei besonders der zukünftige „Boulevard urbain“ zwischen Ettelbrück und Diekirch zu sehen.

Dass Gemeindeväter, wie zum Beispiel aus Colmar-Berg und Schieren, geteilter Meinung sind bzw. sich gegen die Schiene aussprechen, obschon ihre Gemeinden direkt an der Schiene liegen, verstehe, wer will.

Für Montag (08.07.13) 18.30 Uhr ruft der Eisenbahner-Landesverband zusammen mit OGBL, LCGB und mehreren Vereinigungen zu einer Protest- bzw. Solidaritätskundgebung in Ettelbrück auf. Ob sich dermaßen viele Teilnehmer einfinden werden wie 1980 bei der großen Demonstration in Ulflingen, sei einmal dahingestellt. Doch das Ziel ist das gleiche: Es geht nicht nur um Schienen, sondern um die Zukunft des umweltbewussten öffentlichen Transports!