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Neue Zärtlichkeit

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Gab es während der beiden letzten Bezirkskongresse der LSAP noch mehr oder weniger heftige Auseinandersetzungen zwischen den Flügeln der Partei, so hob sich der Nationalkongress, der am Sonntag in Düdelingen stattfand, trotz der frühen Stunde schon fast wohltuend von den internen Streitereien der vergangenen Monate und Jahre ab.

Diese neue Zärtlichkeit unter Genossen lag wohl weder an den „Krukerten“, die während der Veranstaltung über die sozialistische Hochburg hinwegzogen, noch an erwachenden Frühlingsgefühlen (bis zur „Zeit der Kirschen“ ist es ja noch etwas hin), eher schon am näherrückenden Wahltermin und der Einsicht, dass es nichts bringt, weiter an Positionen festzuhalten, die seit Jahren auf erbitterten Widerstand der Gewerkschaftsbewegung und der fortschrittlichen Kräfte im Lande stoßen.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Die programmatische Rede des Parteipräsidenten Alex Bodry, der an Tradition und Geschichte der LSAP erinnerte und jene Grundwerte in Erinnerung rief, mit denen die linke Volkspartei lange Jahre gemeinsam mit dem OGBL, seinen Vorgängerorganisationen und dem Landesverband in Richtung Fortschritt marschierte, hatte da schon mehr mit dem Konsens während der Veranstaltung zu tun.

Auch die beiden anderen Hauptredner des Kongresses, Beschäftigungsminister Nicolas Schmit und der Vizepräsident der Regierung, Jean Asselborn, waren um Annäherung bemüht, unterstrichen das Soziale, das wieder in den Mittelpunkt gerückt werden müsse (auch und besonders auf europäischer Ebene), und gingen auf trennende Elemente mit anderen Parteien ein. Seitenhiebe auf den Koalitionspartner CSV fehlten dabei ebenso wenig wie die Beschwörung des Zusammenhalts in der Partei und bei der Linken.

Allgemeines Umdenken

Der Hauptgrund für den auffälligen Linksschwenk der Parteispitzen wird strategischer Natur gewesen sein. Es wird immer mehr Menschen in Europa und in Luxemburg klar, dass die europäische Sparpolitik nicht aus den Schulden raus und in neues Wachstum rein führt.

Das dramatische Beispiel Griechenland, die mit jedem Sparprogramm ansteigende Prekarität in Spanien, Portugal und Italien haben mittlerweile das bewiesen, was der EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) zum Beispiel seit Jahren sagt: Es gilt in der aktuellen Krise, kontrazyklisch zu investieren, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Nur so kann sich die auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft von den Auswirkungen der Finanzkrise erholen. Totsparen bringt nichts.

Die Massenproteste im Süden Europas und die recht beeindruckenden Protestkundgebungen in Luxemburg gingen nicht spurlos an der europäischen (und nationalen) Politik vorbei. Wenn selbst die Grünen und die DP sich kritisch zu Fiskalpakt und Wirtschafts- und Haushaltspolitik der EU-Kommission äußern, riskieren der sozialdemokratischen Bewegung die Felle davonzuschwimmen, wenn sie aus Koalitionsräson am Austeritätskurs festhält.

Jetzt allerdings muss die Partei den Worten („wir standen und stehen auf der Seite der Menschen, die gegen Lohn arbeiten“) Taten folgen lassen.

Ein erster Prüfstein wird die Ausarbeitung des Haushaltes 2014 sein (am Karfreitag sollen während einer Regierungsklausur diesbezüglich die Weichen gestellt werden). Ein weiteres längerfristiges Zeichen muss die LSAP dann mit ihrem Wahlprogramm setzen.

Wenn Alex Bodrys Worten geglaubt werden darf, ist eine Regierungsbeteiligung nach 2014 zweitrangig. Wichtig sei, dass der alt-neue Gerechtigkeitsanspruch geltend gemacht werden kann; notfalls auch aus der Opposition heraus.