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Netanjahus groteske Show

Netanjahus groteske Show

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In seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen schäumte der israelische Premierminister wenig überraschend gegen Teheran. Ein Iran mit Atombombe sei „die größte Gefahr für den Weltfrieden“.

Das Problem dabei ist nur, dass er dieselben Hyperbeln und dramatischen Mahnungen nun bereits seit so vielen Jahren benutzt, dass eigentlich niemand sie noch ernst nehmen kann. Um dennoch die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich zu ziehen, hat Benjamin „Bibi“ Netanjahu sich diesmal etwas Besonderes einfallen lassen.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Während seiner üblichen Anti-Iran-Tirade hat er eine Cartoon-Grafik einer Atombombe hervorgeholt, die genauso simplizistisch wie lächerlich war. Sie war auf das Niveau eines Erstklässlers abgestimmt und passte so gar nicht in den Rahmen einer seriösen UNO-Versammlung. Als wäre das nicht schon peinlich genug, zuckte Bibi auch noch einen roten Stift, um die „rote Linie“, die in der Frage des iranischen Atomprogramms nicht überschritten werden darf, zu zeichnen. Die Vorführung ähnelte einer besonders schlecht gemachten Satire. Dass die Effizienz dieser grotesken Show gleich null ist, scheint glasklar.

Der israelische Premierminister hätte sich die Intervention wohl besser gespart und stattdessen versucht, seine Beziehungen zum US-Präsidenten Barack Obama wieder aufzubessern. Seine Präferenz für dessen Herausforderer Mitt Romney ist nämlich offensichtlich. Bibi empfing den Multimillionär in Jerusalem, als sei er bereits ein Staatschef.

Obsession und Ablenkung

Netanjahu hat den in puncto Außenpolitik ignoranten Kandidaten der Republikaner ja auch bereits davon überzeugt, dass die Palästinenser ein unterbelichtetes Volk sind, die sowieso keinen Frieden wollen. Folglich würde es Israel sehr stark arrangieren, einem so leicht manipulierbaren amerikanischen Präsidenten gegenüberzustehen – obwohl sich die internationale Gemeinschaft bereits jetzt kaum traut, Kritik zu üben und Israel Straffreiheit zugesteht. Doch die Chancen für eine Abwahl Obamas verringern sich immer mehr. Mit seiner kindlichen Bombenzeichnung dürfte der israelische Ministerpräsident sein Land allerdings ins Abseits manövriert und sich selbst zur Lachfigur gemacht haben.

Netanjahus peinliche Show und seine quasi messianische Iran-Obsession haben jedoch einen großen Vorteil. Auch wenn sie Israel Kritik einbringen, lenken sie dennoch von den wahren Kritikpunkten ab. Und die werden immer zahlreicher. Auf der einen Seite sind die sozialen Probleme in Israel noch immer nicht gelöst und der Unmut der Bevölkerung gegenüber den hohen Lebenshaltungskosten und dem steigenden Unterschied zwischen Arm und Reich wächst weiter.

Vor allem aber müsste das Augenmerk auf der Besatzung der palästinensischen Gebiete sowie der systematischen Unterdrückung der Palästinenser liegen. Der ungebremste Ausbau der Kolonien nimmt immer dramatischere Dimensionen an und schafft de facto Situationen, die die Hoffnung auf einen unabhängigen und überlebensfähigen Palästinenserstaat weiter schwinden lassen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kritisierte in seiner UNO-Rede auch zu Recht, dass die Israelis versuchen, seine Landsleute aus dem arabischen Ostteil Jerusalems zu vertreiben. Man sollte sich also nicht von Netanjahus Panikmache täuschen lassen und diese verwerfliche Entwicklung im Nahen Osten nicht vergessen.