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Nehmen und geben

Nehmen und geben
(Tageblatt-Archiv)

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Krise? Sparen? Glaubt man der französischen Tageszeitung Libération, muss irgendwo noch genug Geld vorhanden sein. Nur dass es sich dort befindet, wo es der Gesellschaft nicht nützt.

Die Tageszeitung berichtete, dass die Dividenden an die Aktionäre der französischen Gesellschaften um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Insgesamt machte dies 40,7 Milliarden Dollar aus. Weltweit würden 320 Milliarden Euro an Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet. Libération bezeichnet die Dividenden-Auszahlung als eine „Ohrfeige“ an die Regierung, die verzweifelt nach jeder Möglichkeit sucht, um zu Geld zu kommen oder zu sparen.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

In Luxemburg geht es (noch) nicht um Milliarden, die in die Taschen von Aktionären fließen. Die Arroganz eines gewissen Patronats kennt aber hie wie da keine Grenzen. In einer gesunden Partnerschaft achten beide Seiten darauf, dass Nehmen und Geben sich die Waage halten. Stellt man diesen Allgemeinplatz dem Luxemburger Sozialmodell der Tripartite gegenüber, so kann man nur sagen, dass sie schon lange nicht mehr gesund ist.

Nehmen und Geben sollte es auch dort heißen, man erhält etwas und ist sich dabei bewusst, bei der nächsten Runde muss ein anderer geben, sonst gerät das System aus dem Gleichgewicht. Kommt es aber so weit, bricht die Beziehung auseinander. Diese Binsenwahrheit kapiert im Prinzip jeder, der auch nur einen Funken Verstand hat.

Politisch inkorrekt

Den Vertretern vom Patronat kann man vieles vorwerfen, Mangel an Verstand aber wohl kaum. Es muss also an etwas anderem liegen, wenn sie in Gesprächen und Verhandlungen mit der Regierung und den Gewerkschaften stets nur fordern und fordern. Dass sie sich mit ihrer Forderung, die Kaufkraft noch weiter zu beschneiden, in die eigenen Finger schneiden, scheint den Herrschaften nicht aufzufallen. In einem Brief an die Mitglieder der Industriellenföderation Fedil forderte deren Präsident Robert Dennewald, sie sollten einen Protestbrief an die Regierung schicken, um gegen deren Entscheidung in Sachen Index zu protestieren. In einem Interview mit der Tageszeitung Le Quotidien hat Wirtschaftsminister Etienne Schneider die Forderungen der Fedil, etwa die Wirtschaft komplett zu desindexieren, als „politisch inkorrekt“ bezeichnet. Er verweist dabei auf all die Geschenke, die den Unternehmen bereits gemacht wurden. Er nennt als Beispiel die zwei Milliarden Euro, die im Zeitraum 2013-2017 in die Infrastruktur investiert würden.

Das Patronat gibt sich nicht mit dem Erreichten zufrieden und will mehr. Sein Tenor lautet „Was gut für uns ist, ist auch gut für das Land“. Das stimmt aber nur bedingt. Von einer gut laufenden Wirtschaft profitieren der Staat und die Gesellschaft nur, wenn sie gebührend – d.h. über Steuern – daran beteiligt werden. Unternehmen beklagen sich beispielsweise regelmäßig darüber, dass sie nicht genug gut ausgebildete junge Leute finden. Das Bildungssystem – von dem auch sie profitieren – kostet viel Geld, welches durch die Steuern finanziert wird. Höhere Steuern für Betriebe und Finanzgesellschaften werden aber insgesamt abgelehnt. Das würde ja die Wirtschaftlichkeit hemmen. Und das will ja schließlich niemand.

(Claude Molinaro/Tageblatt.lu)