Ende Oktober findet die nächste Sitzung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe statt, die sich für ein internationales Abkommen einsetzt, das die Verantwortung multinationaler Konzerne für die Einhaltung der Menschenrechte regelt. An den jährlichen Treffen der Arbeitsgruppe, die 2014 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingerichtet wurde, nehmen zuverlässig zahlreiche Menschenrechtsanwälte, Umweltschützer und Vertreter von Sozial- und Entwicklungsorganisationen teil. Aber während viele Länder, insbesondere aus dem Globalen Süden plus China, eigene Vertreter zu den Sitzungen entsenden, werden sie von den USA, Kanada, Australien und Japan ignoriert und die EU schickt nur pro forma eine Delegation, die nichts Wesentliches zu den Verhandlungen beiträgt. Das muss sich ändern.
Das Abkommen über Unternehmen und Menschenrechte wäre das erste seiner Art unter Federführung der Vereinten Nationen und wird inzwischen seit zehn Jahren verhandelt. Bereits 2011 verabschiedete der Menschenrechtsrat eine Reihe von Leitprinzipien, nach denen Unternehmen „verpflichtet sind, die Menschenrechte zu respektieren“. Unternehmensverbände unterstützten die Prinzipien und verpflichteten sich dazu, sie einzuhalten – zum Teil, weil sie dazu nicht gesetzlich verpflichtet waren. Die Prinzipien waren nicht bindend und es war nicht möglich, ihre Einhaltung zu überwachen oder durchzusetzen. Stattdessen war jeder Staat nach internationalem Recht verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen selbst zu verhindern und zu bestrafen.
Vorreiter Frankreich
2017 verabschiedete Frankreich als erstes Land der Welt ein Gesetz, das große multinationale Konzerne, die auf französischen Hoheitsgebiet tätig sind, verpflichtet, die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb ihrer Geschäftstätigkeit weltweit mit der gebotenen Sorgfalt zu überwachen. Anfang des Jahres hat Deutschland ein ähnliches Gesetz beschlossen, das 2023 in Kraft treten wird, und die Europäische Kommission verfasst derzeit eine Richtlinie zu dieser Frage, die für die gesamte Union gelten wird. Auch die Entwürfe für das Abkommen enthalten Bestimmungen zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen, die dieses Mal von staatlichen Stellen überwacht und durchgesetzt werden soll. Tritt das Abkommen in Kraft, wird diese Verantwortung weltweit zur Pflicht und zum neuen Maßstab, an dem sich globale Unternehmen messen lassen müssen.
Gemäß den Leitprinzipien sollten alle Staaten Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen untersuchen und bestrafen und den Opfern Rechtsschutz bieten. Der Zugang zu funktionierenden Rechtsmitteln ist ein Grundprinzip internationaler Menschenrechtsnormen und sollte in jedes Abkommen zum Thema Unternehmensverantwortung aufgenommen werden. Bisher war der Rechtsweg im Kontext globaler Geschäftstätigkeiten mit komplexen Wertschöpfungsketten jedoch meist versperrt. Insbesondere die Rechte von Arbeitnehmern und indigenen Gruppen werden oft missachtet.
In jüngster Zeit gaben Gerichte in Großbritannien und den Niederlanden jedoch in bahnbrechenden Urteilen mehreren Klagen gegen große multinationale Konzerne statt, zu denen auch Vedanta Resources und Royal Dutch Shell gehören. Mit diesen Entscheidungen machten sie klar, dass Arbeitnehmer und Bevölkerungsgruppen in allen Regionen, in denen Tochterunternehmen tätig sind, die Mutterkonzerne in ihrem eigenen Land verklagen können.
Internationale Rechtsrahmen
Die Urteile schockierten die Geschäftswelt und versetzten Firmenanwälte aus gutem Grund in Alarmbereitschaft: Aktivisten und Akademiker, die für mehr Rechenschaftspflicht für Unternehmen kämpfen, sehen in dieser neuen Rechtsprechung den Grundstein für einen neuen Rechtsrahmen, der die Muttergesellschaft für die Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihrer globalen Wertschöpfungskette zur Verantwortung zieht. Diese Urteile können jedoch nur dann breite Wirkung entfalten, wenn die Prinzipien, die sie skizzieren, weiterentwickelt und in nationales und internationales Recht integriert werden. Genau dies möchte das Europäische Parlament mit einem Gesetzentwurf zur Rechenschaftspflicht von Unternehmen tun.
Das als Entwurf vorliegende UN-Abkommen regelt ausdrücklich die rechtliche Verantwortung von Mutter- oder Holdinggesellschaften. Gemäß den Bestimmungen des Entwurfs haften Holdinggesellschaften innerhalb einer Kette oder eines Netzwerks für Schäden durch Geschäftspartner, deren Tätigkeit sie kontrollieren oder überwachen, und sie haften, wenn sie nicht verhindern, dass diese Geschäftspartner Arbeitnehmer, indigene Völker, Frauen und Kinder schädigen. Dieses Abkommen würde den internationalen Rechtsrahmen für soziale und ökologische Nachhaltigkeit von weltweiten Geschäftsprozessen enorm stärken.
Aber obwohl die großen Gewerkschaftsverbände und andere zivilgesellschaftliche Gruppen das geplante Abkommen unterstützen, wird es von den USA, den EU-Mitgliedstaaten und anderen großen Entwicklungsländern größtenteils ignoriert. Leider ist der Politik in diesen Ländern das alte Modell lieber, das ihren multinationalen Konzernen – und ihnen selbst – nur eine beschränkte Regulierung und maximale Freiheit bietet. Angesichts ihres öffentlichen Bekenntnisses zu Multilateralismus und Menschenrechten überrascht es aber trotzdem, dass die EU-Mitglieder an den Verhandlungen über das Abkommen höchstens halbherzig teilnehmen.
Politische Einigkeit
Mit diesem Abkommen hat die EU die Chance, im Anschluss an die wegweisenden neuen Gesetze in Frankreich und Deutschland und die bahnbrechende Rechtsprechung in Großbritannien und den Niederlanden politische Einigkeit zu zeigen und in diesem Gebiet eine Führungsrolle zu übernehmen. Dasselbe gilt für die USA, die gerade versucht, ihren Führungsanspruch innerhalb einer auf Regeln basierenden internationalen Ordnung zu bestätigen.
Die Regierungen dieser Länder erklären die Einhaltung der Menschenrechte regelmäßig zu einem ihrer wichtigsten Grundwerte. Und trotzdem geben sie sich anscheinend mit alten Formeln und leeren Modellen zufrieden, denen jede rechtsverbindliche Wirkung fehlt. In der nächsten Verhandlungsrunde können sie ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnen und beweisen, dass sie ihr Versprechen, Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen nach internationalem Recht zur Verantwortung zu ziehen, wirklich ernst meinen.
* Carlos López ist Rechtsberater bei der Internationalen Juristenkommission.
Copyright: Project Syndicate, 2021. www.project-syndicate.org
Reichlich naiver artikel.
Ausgerechnet die USA und die in ihrem fahrwasser segelnde EU sollen menschenrechte vor profit stellen...wers glaubt wird selig gesprochen.
Na dann lasset uns einmal von den Cobalt-Minen im Congo reden!!Hier haben die Menschenrechtsexperten aus China das Sagen. Eine korrupte Regierung schaut zu wie die Congolesen(Kinder) sich hier zu Tode schuften.Für nen Appel und ein Ei. Wir kaufen indes mit ruhigem Gewissen ein E-Auto weil wir ja das Klima retten wollen. Die Batterien für unser Auto kommen ja aus China,nicht aus Afrika.Der Strom für die E-Autos machen die Chinesen in 500 neuen(!) Kohlekraftwerken. Der ökologische Fußabdruck den so ein E-Auto hinterlässt wenn er vor unserer Tür steht ist beachtlich.Dafür kann man lange mit dem alten Diesel fahren. Und schon sind wir wieder beim Wasserstoff.