Headlines

Monet statt Sherman

Monet statt Sherman

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Drei Wörter würden den Unterschied zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten in der Krise ausmachen, meinte am Wochenende Wirtschaftsnobelpreisträger und New York Times-Kolumnist Paul Krugman in seinem Blog: William Tecumseh Sherman.

Das Bild ist natürlich spöttisch gewählt, denn der Nordstaaten-General Sherman ist vor allem für seinen brandschatzenden Feldzug durch die Südstaaten während des amerikanischen Sezessionskrieges in Erinnerung geblieben.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Allein, eines der Resultate dieses Krieges war das Ende des gesellschaftspolitischen Modells des amerikanischen Südens – nicht nur in puncto Sklaverei, sondern auch der auf Freihandel ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Amerika konnte erst dadurch, allerdings Jahrzehnte danach und nach unglaublichen gesellschaftlichen Umwälzungen, zu einer – zumindest im kollektiven Bewusstsein – geeinten Nation werden. Die europäische Geschichte entbehrt natürlich nicht ähnlicher Beispiele, wenn es um die Einigungsprozesse geht.

Etwa der langwierige Prozess, der erst durch den preußisch-österreichischen Krieg zur Einheit Deutschlands im 19. Jahrhundert führte. Federführend war der preußische Kanzler Bismarck, und folgende Aussage einer seiner Reden war Programm: „Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch Eisen und Blut.“

Wir wissen heute, dass dieser Prozess und diese Geisteshaltung zu den großen europäischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts geführt haben. Die Ideen Jean Monets und der anderen europäischen Gründungsväter muss man als genaue Antithese dieser Geisteshaltung ansehen – auch wenn Europa viel mehr Demokratie vertragen könnte.

Am Scheideweg

Paul Krugman trifft allerdings durch das Bild wohl den wunden Punkt, indem er die Krise Europas nicht vordergründig als eine Krise der Banken oder der Staatsschulden definiert, sondern als eine Krise der ungenügenden Integration des europäischen Raumes und seiner Institutionen. Viele fundamentale Wirtschaftsdaten – allen voran die staatliche Verschuldung – lassen die USA in einem weitaus schlechteren Licht stehen als die EU. Nur weil Amerika als Ganzes angesehen wird und seine Institutionen ganzheitlich ausgerichtet sind, können die Märkte die USA nicht vorführen. Davon ist die EU natürlich meilenweit entfernt.

Man erkaufte sich bislang durch die diversen Maßnahmen zur Stabilisierung der europäischen Banken und bei der finanziellen Hilfe der krisengeplagten europäischen Länder Zeit. Diese Politik scheint nun am Scheideweg angelangt zu sein. Nicht dass es in naher Zukunft, etwa bereits am kommenden EU-Gipfel Ende dieser Woche, zum großen Wurf kommen wird.

Aber die Bankenunion könnte endlich ein Schritt in diese Richtung sein. Paradoxerweise sieht es mittlerweile sogar so aus, dass die Fehlkonstruktion „Euro“, die alles auseinanderzureißen droht, den gegenteiligen Effekt erzeugen könnte.Ein Scheitern des Euro könnte den Kontinent teurer zu stehen kommen als der Weg, der jetzt gegangen wird.

Das umständliche, wenig demokratische, schlecht funktionierende Projekt EU scheint durch eine weitere Vertiefung seiner Integration der einzige Ausweg aus der Krise zu sein.

Bleiben allerdings – fast nebensächlich – einige fundamentale Frage zu klären. Etwa wo die Politiker sind, die dies vorantreiben können, statt nur zu verwalten? Oder nicht minder unwichtig, wie man eine immer unwilligere Bevölkerung an diesem Prozess teilnehmen lässt?