Die Hektik ebbt ab, die Töne in Sachen Finanzkrise werden leiser. Nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von größeren Zeiträumen, die man den Krisenländern zur Lösung der Probleme einräumen sollte. Die Letten wollen, allen Euro-Unkenrufen zum Trotz, wie geplant 2014 zum 18. Euroland werden, zweifelsfrei ein positives Zeichen für die Eurozone. Jetzt wird vielerorts der Versuch unternommen, erste Lehren zu ziehen.
" class="infobox_img" />Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu
Allen voran vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der mit Vorschlägen zur Absicherung der Finanzhaushalte vorprescht, darunter die Idee eines eigenen Haushalts für die 17 Mitgliedstaaten der Eurozone und die eines mächtigeren EU-Finanzkommissars zur besseren Kontrolle.
Sein Vorschlag geht in Richtung des sogenannten Kern-Europas, eines Europas der zwei Geschwindigkeiten, das es mindestens neun Mitgliedern erlauben soll, in einigen Bereichen schneller voranzukommen, als die anderen dies können oder wollen. Schäubles Vorschlag stößt natürlich nicht nur auf Gegenliebe. So sind die Finnen verunsichert und auch die Briten. Einmal mehr die Briten, möchte man sagen. Sie, die die EU ohnehin eher als eine Art Freihandelszone sehen denn als politische Union. Die Briten, die immer noch ihrem nationalen Motto my home is my castle mehr verhaftet scheinen als jeder europäischen Einigungsabsicht, sei es wie in diesem fall auf finanzpolitischer Ebene, sei es auf der Ebene einer gemeinsamen Sicherheitspolitik oder einer gemeinsamen Aussenpolitik, selbst wenn sie mit Ashton die erste Chefin des Embryos einer solchen stellen.
Trübt das Gesamtbild
Zur Idee des Kern-Europas gehören natürlich auch das Schengen-Abkommen oder der Euroraum selbst.
Bei Schengen ist Großbritannien dabei. Allerdings nicht mehr lange. Denn die Briten haben angekündigt, sich ab 2014 nicht mehr an der europäischen Innen- und Justizpolitik beteiligen zu wollen. Nicht mehr an Europol, auch nicht an Schengen. 130 Gesetze sind insgesamt von ihrem Ausstieg betroffen. Ausgerechnet die Briten, wie gesagt. Obwohl dies ihr gutes Recht ist. Denn bei vielen Verträgen haben sie auf eine „Opt out“-Klausel gepocht. Eine Ausstiegklausel also, die von den anderen ja unterzeichnet wurde.
Eine weitere Idee, die wohl vorerst nur auf der Ebene eines Kern-Europas zustande kommen wird, ist die am Montag von Brüssel abgesegnete Finanztransaktionssteuer, mit der der Finanzsektor an den Kosten für die Krisenbewältigung beteiligt werden soll. Spätestens 2014 soll sie kommen, Frankreichs Präsident François Hollande will sie sogar schon für 2013. Und wer ist wieder einmal nicht dabei? Die Briten, natürlich, wäre man geneigt zu sagen. Und tatsächlich, sie wollen nicht mitmachen. Aber auch andere lehnen eine solche Steuer ab. Und man staune. Sogar Luxemburg gehört diesmal zu den Neinsagern. Die Luxemburger, ansonsten unabdingbare Herolde der europäischen Idee, bei allen bisherigen kern-europäischen Projekten dabei, sorgen sich um die Attraktivität ihres Finanzplatzes. Es gibt also vielleicht doch manchmal Gründe, nicht immer dabei zu sein. Dennoch käme keiner auf die Idee, die Luxemburger deswegen als anti-europäisch oder europaskeptisch zu bezeichnen.
Ein Vorwurf, der im Falle Großbritanniens jedoch ständig angeführt wird. Das kann nur an der Häufigkeit liegen, mit der sich die Briten europäischen Entwicklungen entgegenstellen. Denn dieses Verhalten trübt das Gesamtbild der EU nach außen und nach innen. Nach innen, weil es Euroskeptikern Auftrieb gibt und ein Weiterkommen schwieriger macht. Nach außen, weil es den dort vielerorts vorherrschenden Eindruck der Uneinigkeit innerhalb der EU verstärkt. Was vielleicht erklärt, warum sowohl US-Präsident Obama als auch Herausforderer Romney während ihrer außenpolitischen TV-Debatte Europa mit keinem Wort erwähnten.
Vor allen Dingen jedoch schadet das Verhalten Großbritanniens den Briten selbst. Ein Land, das Verträgen erst zustimmt, um sich dann wieder von ihnen abzuwenden, oder nur die „Rosinen“ für sich herauspickt, ein Land, das immer wieder europäische Einigungen mit Blick auf innenpolitische Probleme blockiert, verliert langsam, aber sicher immer mehr an politischer Glaubwürdigkeit. Obama und Romney haben vielleicht deshalb nicht nur Europa, sondern auch den „treuen“ Irakkrieg-Alliierten Großbritannien mit keinem Wort erwähnt.
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