Bei der Vorstellung des Plans der französischen Regierung zur Unterstützung des französischen Automobilsektors und mit Blick auf die Aushandlung eines Sozialplans bei Peugeot Citroën hat der französische Premierminister Jean-Marc Ayrault für bestmögliche Bedingungen plädiert, „im Interesse der Industrie und der Beschäftigten, die keine Anpassungsvariable“ darstellen würden. Keine neoliberale Anpassungsvariable für verfehltes Management, das angesichts eines semestriellen Verlustes von 819 Millionen Euro seine Rettung in Entlassungen und dem Abbau von 8.000 Arbeitsplätzen sucht. Frankreich wird dem Sektor finanziell helfen und verlangt dafür dauerhafte Produktionsstandorte sprich Arbeitsplätze.
Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu
Jean-Marc Ayrault gebührt damit das Verdienst, in den aktuellen Zeiten, in denen fast ausschließlich nur noch über Geld und Wirtschaft sowie die Rettung derselben geredet wird, endlich einmal wieder den Menschen in den Vordergrund gerückt zu haben, den Akteur, um den es ja bei dem Ganzen eigentlich geht. Besser gesagt gehen sollte.
Denn wenn man mit Blick auf Frankreich behaupten kann, dass seit der Wahl des neuen Präsidenten François Hollande ein neuer Wind weht, trotz sich ankündigender sozialer Probleme, bedingt durch zu viele Industrieverantwortliche, die eben ihre Mitarbeiter als Anpassungsvariable statt als Menschen betrachten, so kann man auf der anderen Rheinseite auf einen solchen Fortschritt zwar hoffen, doch erst wenn bestimmte Politiker endlich dort angelangt sein werden, wo sie hingehören, nämlich im politischen Abseits. Die Rede ist von den Hoffnungsträgern der deutschen FDP.
Kein Wort über die Entbehrungen
Die Art, wie der kleine, neoliberale Koalitionspartner mit Menschen umgeht, ist erschütternd. Ein eventueller Austritt Griechenlands aus der Eurozone habe seinen Schrecken verloren, bekundete der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister am Samstag in einem Interview. Die Leichtigkeit, mit der dieser deutsche FDP-Spitzenpolitiker, ein gewisser Philipp Rösler, sein Fraktionschef und sein Generalsekretär die Anstrengungen der Griechen auf dem Weg aus der Schuldenkrise als ungenügend bezeichnen und damit die Spekulation rund um Griechenland noch weiter einheizen, ist beschämend.
Von verantwortungsvoller Politik gegenüber einer Nation, die erklärtermaßen im Europa verbleiben will, keine Spur. Kein Wort über die Lage im kritisierten Land, kein Wort über die Entbehrungen der Menschen, kein Wort über eine Jugend, der durch die steigende Arbeitslosigkeit sämtliche Zukunftsträume verbaut sind, kein Wort über auch nur das Geringste, was mit dem Begriff „Soziales“ zu tun haben könnte. Für diese Politiker sind die Menschen eben Anpassungsvariablen und sonst nichts. Kriterien sind nur, was Geld und Spekulation diktieren.
Selbst nachdem sich der griechische Premierminister Antonis Samaras am Dienstag öffentlich über die Äußerungen beschwert hat, die die Anstrengungen, sein Land aufrechtzuerhalten, sabotieren würden, bekräftigte der deutsche Vizekanzler seine Äußerungen ein weiteres Mal.
Na ja, wenn man, wie die FDP, ständig damit rechnen muss, als kleine Partei unter die in Deutschland bei Wahlen geltende Fünf-Prozent-Hürde und auf lange Zeit in die politische Bedeutungslosigkeit zu fallen, werden Menschen, sofern sie Griechen, Spanier, Italiener oder Portugiesen sind, für manche FDP-Spitzenpolitiker eben zu Anpassungsvariablen, diesmal in einem politischen Spielchen, das sich Populismus nennt.
Dabei scheint man sich im Falle Griechenlands jedoch zu irren. Entgegen aller politischen Sprüche und öffentlicher Meinungsmache durch interessierte Kreise, die glauben machen wollen, dass Griechenland in Deutschland schlecht angesehen sei, verzeichnet das Land zurzeit einen so starken Boom bei Pauschalreisen aus Deutschland, dass die Kapazitäten so langsam knapp werden, wie gestern gemeldet wurde. Die Besucher werden sich vor Ort ein Urteil bilden. Ein menschliches. Danach werden sie ganz sicher die Griechen, aber auch den deutschen Wirtschaftsminister mit anderen Augen sehen.
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