Diese zum Teil ausgesprochen geldhungrigen Erleuchteten predigen, dass das „Internet“ die Lösung für alle Probleme der Menschheit herbeiführen könne, und dass mithin jeder Politiker, der sich aus reiner Verstocktheit den Anforderungen „Internets“ entgegenzustellen wagt, sich an der Menschheit und ihrer glücklichen Zukunft versündigt. Das „Internet“ steht hier in Anführungszeichen, weil es jene Leute, die es zu Ehren der Altäre erheben, nicht ansehen als das, was es ist, sondern vielmehr als eine Art Gottheit.
" class="infobox_img" />Francis Wagner
fwagner@tageblatt.lu
Was ist denn das Internet wirklich? Nun, etliche Milliarden Computer, Smartphones und Server, die untereinander vernetzt sind, die von Menschen gemacht und (vorläufig noch) gesteuert werden. Aber – Theologie, Lektion eins – was nachweislich Menschenwerk ist, kann per definitionem nicht Gott sein. Und da Gott nun nachweislich Menschenwerk … Aber lassen wir das.
Für Technokraten aller Art, seien sie Automobilkonstrukteure oder Internetfreaks, gilt die schöne amerikanische Devise: „Für den, der nur einen Hammer hat, sehen alle Probleme wie ein Nagel aus.“
Wer bloß einen Hammer hat …
Wenn der Automobilverkehr nicht richtig rollt, röchelt der Petrolhead „mehr Straßen!“. Selbst wenn der letzte verfügbare Quadratzentimeter bereits zuasphaltiert ist.
Und wenn die Geeks in Kalifornien den Verdacht bekommen (den sie indes ständig hegen), dass Politiker sie daran hindern, die Menschheit mit letzter Konsequenz als Konsumvieh auszubeuten und auszuspionieren, geifern sie in schönster totalitärer Art, dass jede Politik, die sich untersteht, der zügellosen Freiheit der Internet-Kapitalisten Grenzen zu setzen, ipso facto dem Untergang geweiht sei.
Die meisten Technik-Utopien sind genau wie die Mehrzahl der religiösen oder politischen Utopien in ihrem Innersten zutiefst menschenfeindlich. Wer wähnt, den einzig wahren Weg zur Wahrheit und zum Glück erkannt zu haben, der scheut auch bald nicht mehr davor zurück, Menschen, die nicht seiner Meinung sind, zum Schweigen zu bringen; z.B. indem er sie – falls erforderlich – massenweise beseitigen lässt. In der aktuellen Ausgabe des Spiegel (2.9.13/S. 46) erklärt der SPD-Politiker Karl Lauterbach, selbst ein praktizierender Arzt, weshalb es keineswegs erforderlich ist, dass eine Regierung aus Technokraten gebildet wird, dass also etwa der Gesundheitsminister nicht notwendigerweise promovierter Mediziner sein muss: „Die Wissenschaftsgläubigkeit von Wissenschaftlern ist zu hoch, um ihnen die politische Verantwortung allein zu überlassen. Für die Gesetzgebung ist ein kluger, skeptischer Laie oft sogar besser.“
A fortiori wäre es eine Katastrophe, wenn die Politik sich den Internet-Milliardären unterwürfe, die meist nicht einmal Wissenschaftler sind, sondern nur allzu oft hochbegabte Informatikfreaks, deren technisches Genie allein von ihrer unbegrenzten Raffgier überragt wird.
„Kluge, skeptische Laien“, die in der politischen Verantwortung stehen, müssen daher alles daransetzen, gerade dem webvernarrten Teil ihrer Wählerschaft deutlich zu machen, dass es keineswegs im Interesse der Allgemeinheit liegt, wenn eine neue Kaste von Internet-Entrepreneuren ohne Rücksicht auf unsere politischen Freiheiten und unsere sozialen Errungenschaften und ohne Kontrolle durch die rechtsstaatlich legitimierten Instanzen der parlamentarischen Demokratie Milliarden à gogo scheffeln darf.
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