„Die Zeit der Anwälte ist vorbei“, verkünden Anhänger der Opposition. Was in der Praxis zu heißen scheint, dass nun auch in Syrien offenbar jene Sorte von Justiz Einzug hält, die seit Jahren schon von den Taliban in Afghanistan praktiziert wird: totale Willkür unter dem Deckmantel der Scharia, des islamischen Rechts.
" class="infobox_img" />Francis Wagner
fwagner@tageblatt.lu
Diese Justiz zeichnet sich durch den kurzen Prozess aus: Ankläger und Richter sind Komplizen, und kein Zeuge, der seines Lebens weiterhin den Umständen entsprechend froh sein will, wagt es, eine Aussage zu machen, die mit dem vor Verfahrenseröffnung bereits feststehenden Urteil in irgendeiner Weise nicht konform wäre.
Das, was in Syrien unter der Bezeichnung „Befreiung“ angepriesen wird, ist zu weiten Teilen nichts anderes als angewandte Barbarei. Religiöse Fanatiker üben jetzt schon mal für den Gottesstaat und schlachten alle jene, die sie als Widersacher verdächtigen.
Vor dem Abgrund
Natürlich stehen ihnen die Kräfte des Regimes an Grausamkeit in nichts nach: Die Schlächter des Assad-Clans haben, um die Macht ihrer Diktatorenclique retten zu können, auch die letzten Reste an zivilisiertem Verhalten abgestreift. Sie fühlen sich in die Ecke getrieben, es geht um ihren Kopf, und da scheint ihnen offensichtlich alles erlaubt.
Das syrische Volk steht vor dem Abgrund, denn mittlerweile ist offensichtlich niemand mehr willens, eine Initiative zu ergreifen, die tatsächlich dazu geeignet wäre, den Barbaren aus beiden Lagern das Handwerk zu legen. Im Gegenteil, Russland und mehrere Golfmonarchien tun alles, um das Lager, das sie jeweils unterstützen, mit Mordgerät auszustaffieren.
Es gibt in Syrien vermutlich tausend Mal mehr Kugeln, Bomben und Granaten, als es Syrer gibt. Und man muss leider davon ausgehen, dass Zehntausende dieser Projektile in nächster Zeit menschliches Leben auslöschen werden.
Nichts illustriert die Hoffnungslosigkeit besser als die Demission des von der UNO bestellten Vermittlers Kofi Annan, der am Donnerstag die Aussichtslosigkeit seiner Mission erklärte.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sieht Syrien nun in „einer dramatischen Sackgasse“ feststecken.
Und in der Tat: In Syrien gibt es nichts mehr zu vermitteln. Beide Lager kämpfen mit der Überzeugung: „sie oder wir“. Oder präziser: „Sie werden leben oder wir.“ Man muss daher befürchten, dass das bisherige Blutbad mit seinen über 20.000 Toten, davon etwa 14.000 Nicht-Kombattanten, nur einen müden Abklatsch dessen darstellt, was dem Lande im tatsächlichen Endkampf noch bevorstehen könnte.
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