Es gab in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten Kräfte, die genau das wollten, was jetzt passiert: die generelle Unterordnung der Politik, die Zerschlagung des Sozialen Vertrags zwischen den Staaten und ihren Völkern, das immer vorrangige Streben nach maximaler privatwirtschaftlicher Rentabilität.
" class="infobox_img" />Alvin Sold asold@tageblatt.lu
Mit dem galoppierenden Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen als Resultat. So ist es doch: Parlamente, Regierungen, die Europäische Union, der Euro geraten in Diskredit wegen ihres Unvermögens, die entfesselten Märkte zu bändigen. Nicht nur der oft zitierte „kleine Mann“, sondern zunehmend die mittleren Schichten fühlen sich verraten und verkauft.
Für Rechtsextremisten ist die Kapitulation der klassischen europäischen Politik, welche auf das stille Einvernehmen zwischen Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen in Grundsatzfragen zählt, eine außerordentliche Chance, wie an den jüngsten Wahlergebnissen in vielen Ländern ersichtlich.
Historiker haben es inzwischen leicht. Sie können anhand der Fakten darauf verweisen, dass die Abkehr vom eingangs genannten Sozialen Vertrag, auf dem die Gesellschaft im Westen fußte, mit der von Reagan und Thatcher in den 80er Jahren ausgelösten Deregulierungswelle begann. Die beiden konservativen Spitzenpolitiker wollten den schlanken Staat, der dem systemischen Gegenspieler militärisch aber überlegen sein sollte.
Als die Berliner Mauer 1989 fiel, wurde das Ereignis auch als ein Sieg der Überlegenheit der freien, deregulierten Wirtschaft gefeiert. Wenige Jahre später, nach der Implosion des sowjetischen Imperiums, ließen sich die Europäer von der amerikanischen Führung in deren Konzept einer global weitgehend deregulierten, sehr freizügig organisierten Ökonomie einbeziehen.
Damit war der Weg frei für den totalen Wettbewerb zwischen Hochlohn- und Niedriglohnmärkten. Weltweit operierende Konzerne, die ihr Geld und ihr Know-how nach Belieben einsetzen konnten, lehrten die noch in staatlichen oder bestenfalls europäischen Dimensionen denkenden Politiker das Fürchten. Sogar Deutschland musste erleben, dass Großbetriebe die Produktion beliebig verpflanzen können, zu Beginn in Europas Entwicklungsländer im Osten, dann kurzerhand nach Asien.
Zeitgleich wuchs, durch das häufige Zusammenspiel zwischen Börsen und Ratingagenturen, die Macht der Märkte. Sie fordern mehr Sicherheiten und höhere Erträge und sind dabei sogar in ihrer Rolle, weil sie sich ja im gesetzlichen Rahmen bewegen.
Das ist der Punkt. Der gesetzliche Rahmen: Wer schuf ihn, wer ließ sich, warum, von den neoliberalen Wirtschaftslobbyisten in Europa, in Luxemburg überzeugen?
Es liegt uns fern, den politischen Entscheidungsträgern Leichtfertigkeit oder gar Korruption anzuhängen.
Sie ließen sich halt täuschen, einlullen. Gegenwärtig sind sie nur, auf der EU-Kommissions- und Ratsebene zuerst, dann auf der Ebene der Mitgliedstaaten, Exekutanten.
Ihnen diktieren die Märkte, diktieren Megabanken à la Deutsche Bank (welche in Luxemburg besonders knarrige Töne anschlägt) und die Herren der AAA-Orden.
Und nun?
Mitgegangen, mitgehangen. Die kleine Luxemburger Politik kann das faule System nicht abschaffen. Aber sie kann, in der Erwartung und in der Gewissheit, dass Europas Bürger irgendwann aufräumen werden, den verbleibenden Spielraum intelligenter nutzen als jetzt.
Wetten, dass Juncker, nun, wo er öfter zu Hause ist, spürt und weiß, wie man die im Koma liegende Tripartite wieder beleben kann? Im Sinne Luxemburgs, im Sinne der Menschen in Luxemburg?
Das wäre ein Wunsch für das neue Jahr, das ein Vorwahljahr wird.
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