Letzte Woche ging es hoch her im Justizpalast. Eine Hundertschaft Rechtsanwälte gaben einem der ihren Rückendeckung, nämlich Rechtsanwalt André Lutgen, der beschuldigt wird, versucht zu haben, einen Untersuchungsrichter unter Druck zu setzen bzw. einzuschüchtern.
Am 27. Mai 2019 kommt es zu einem tödlichen Arbeitsunfall durch Stromschlag im ArcelorMittal-Walzwerk in Differdingen. Der die Ermittlungen leitende Untersuchungsrichter lässt die entsprechenden elektrischen Anlagen versiegeln und ernennt einen Experten, um die Umstände dieses Todesfalles zu klären. Der Rechtsanwalt von ArcelorMittal, Me André Lutgen, drängt im Interesse seiner Mandantin auf ein schnelles Aufheben der Siegel, um größeren wirtschaftlichen Schaden mangels ausreichender Stromkraft zu vermeiden.
Am 29. Mai 2019, also zwei Tage nach dem Arbeitsunfall, ist die Expertise um 11.00 Uhr erstellt und die Siegel werden am selben Tag um 19.00 Uhr auf Anweisung des Untersuchungsrichters entfernt. In dieser Zeitspanne von acht Stunden greift Anwalt Lutgen zu Druckmitteln, für die er heute beschuldigt wird. Mit einer Mail am Nachmittag gibt er dem Untersuchungsrichter eine Frist von einer halben Stunde – quasi ein Ultimatum –, um die Siegel zu entfernen. Als dieser nicht darauf reagiert, schreibt Anwalt Lutgen eine Mail an Justizminister Braz und an Wirtschaftsminister Schneider, mit Abschrift an Generalstaatsanwältin Solovieff, worin er sich über den Untersuchungsrichter beschwert und ein mögliches Verfahren gegen den Staat anmahnt wegen Dysfunktion der Staatsdienste. In einer weiteren Mail an die Generalstaatsanwältin am 3. Juni 2019 beklagt er die „incurie des intervenants“ in dieser Angelegenheit, das heißt, er wirft allen damit befassten Personen Fahrlässigkeit vor.
Man weiß nicht, wie dieses Verfahren gegen Rechtsanwalt Lutgen enden wird. Aus Presseberichten weiß man aber, dass der frühere Staatsanwalt Frising am16. Juli 2019 die Ermittlungen gegen Lutgen eingeleitet hat und dessen Nachfolger Oswald die Affäre weiterführt. Man weiß ebenfalls, dass die Ratskammer des Appellationsgerichts im Dezember 2020 grünes Licht gab, um Anwalt Lutgen vor Gericht zu laden.
Die Anwaltskammer („Conseil de l’Ordre des avocats“) streitet jedes Fehlverhalten ihres Mitglieds ab, die Staatsanwaltschaft und mehrere Richter jedoch haben dies bisher anders beurteilt.
Wenn in dieser Angelegenheit dem Untersuchungsrichter, wie es scheint, vorgeworfen wird, er habe seine Macht missbraucht und die Siegel nicht zur gewünschten Zeit entfernen lassen, so ist es unerlässlich, auf eine alte Affäre zu verweisen, in der Herr André Lutgen als Untersuchungsrichter fungierte und seine Macht ohne Rücksicht ausübte.
Im Januar 1985, in der Bauernzentrale-Affäre, fertigte Herr Lutgen ein Dokument, worin er noch vor dem ersten Verhör schrieb, er halte die Herren Berns und Ewert für schuldig. Die Unschuldsvermutung blieb auf der Strecke! Er übergab dieses Dokument dem damaligen FLB-Anwalt Entringer, von wo es unverzüglich an die Presse ging und im Républicain Lorrain unter dem Titel „Le mémoire du juge d’instruction“ erschien. Machtmissbrauch?
Als im Februar 1985 die Verteidigung der Herren Berns und Ewert aufgrund dieses Vorgehens einen im Gesetz vorgesehenen Befangenheitsantrag gegen Untersuchungsrichter Lutgen stellten, brach ein Proteststurm in der Magistratur los. Das „Groupement des magistrats“ verabschiedete eine Resolution, worin von unzulässigem Druck auf die Justizorgane die Rede ging und der damalige Präsident des „Groupement des magistrats“, Herr Emile Penning, erhielt als „Chefredakter fir eng Stonn“ gleich zwei Stunden auf Radio Lëtzebuerg, um mit den RTL-Journalisten gegen die Bauernzentrale zu wettern.
Am 15. April 1985 erließ Untersuchungsrichter Lutgen einen Vorführbefehl („mandat d’amener¨“) gegen die Beschuldigten mit halbtägiger Einweisung ins Schrassiger Gefängnis, angeblich weil im alten Justizpalast kein entsprechender Warteraum war und Untersuchungsrichter Lutgen bis in den Nachmittag hinein keine Zeit zum Verhör fand. Diese Maßnahme war vollkommen unberechtigt. Sie wurde als reine Machtdemonstration in einem politischen Verfahren wahrgenommen. Mit dem Vorführbefehl und der damit verbundenen Festnahme durch die Polizei wurden die Beschuldigten in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht. Dieser Vorführbefehl war weiter nichts als eine gezielte Demütigung. Machtmissbrauch?
Besichtigen sie doch einmal das gerichtsgebäude, und auch die nicht für die öffendlichkeit zugängliche räume, dann verstehen sie alles, und brauchen überhaupt keine komentaren mehr zu geben. Ein video von diesem raum ist auffindbar im internet, doch sei gewarnt dass dies nicht für die öffendlichkeit bestimmt ist. Zu geheim...