Ende April, Anfang Mai dürfte Premierminister Xavier Bettel diesen symbolischen Schritt tun und Abbitte für die Untaten der Verwaltungskommission gegenüber der jüdischen Bevölkerung in den ersten Monaten der deutschen Besatzung Luxemburgs vor fast 75 Jahren leisten.
Rückblick. In einer parlamentarischen Frage vom 28. September 2012 will der damalige Abgeordnete Ben Fayot (LSAP) von Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) wissen, ob es nicht an der Zeit sei, dass sich Luxemburg – so wie Belgien – bei der jüdischen Gemeinschaft entschuldige.Die Antwort von Jean-Claude Juncker verblüffe, schrieb das Tageblatt damals. Es bedürfe noch eingehenderer Recherchen, was die Beteiligung der luxemburgischen Verwaltung an der Deportation von Juden angehe, erklärte Juncker: „Il subsiste en effet un certain flou.“ Der Auftrag für weitere Nachforschungen ging an Vincent Artuso.
Sein Bericht liegt seit Anfang der Woche vor. Darin wird auch das letztmögliche „certain flou“ beiseite geräumt. Am Grundverdacht ändert sich jedoch nichts. Der Bericht bestätigt anhand zahlreicher Dokumente bloß das, was andere Historiker schon angeführt hatten. Bereits 1985 hatte Paul Dostert, der dem Expertenkomitee zur Bewertung des Artuso-Berichts angehörte, in seiner Doktorarbeit die aktive Rolle der Verwaltungskommission angesprochen.
Den Stein so richtig ins Rollen bringen sollte jedoch Denis Scuto in einem Beitrag auf RTL vom 8. Februar 2013 mit seiner Aussage, 280 jüdische Kinder seien von der Schulverwaltung oder Lehrern an die Nazis denunziert und anschließend deportiert und ermordet worden. Diese Tatsache sei kein „flou“, so der Historiker. „Ohne Mitarbeit der lokalen Behörden hätten die Nazis diese Listen nicht zusammenstellen können“, sagte er (Tageblatt, 26.2.2013).
Warum also die doch etwas erstaunliche Antwort des damaligen Regierungsverantwortlichen und die nochmalige Verzögerung bei der längst hinfälligen öffentlichen Entschuldigung? Vielleicht, weil man bei derlei Akt auch darauf hätte hinweisen müssen, dass der Boden für die antijüdischen Handlungen längst vor dem Einmarsch der Nazitruppen ideologisch vorbereitet worden war, u.a. von der erzkonservativen katholischen Presse, wie Lucien Blau in seiner Doktorarbeit „Histoire de l’extrême droite au Grand-Duché de Luxembourg au XXe siècle“ (Editions Phare) vortrefflich aufzeigt – und jetzt wieder auch von Artuso in seinen Schlussfolgerungen im Bericht hervorgehoben wird.
Alles längst Vergangenes? Schon, dennoch bleibt das Thema aktuell. Zumal sich längst überkommen geglaubte Regungen wie etwa das Gefühl der „Überfremdung“, in den 1930er-Jahren einer der Gründe für den wachsenden Antisemitismus, heute in Europa und insbesondere auch in Luxemburg erneut rasant verbreiten.
Daher die Bedeutung einer tiefgründigen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels Luxemburger Geschichte. Schade, dass sie so spät kommt.
Lucien Montebrusco
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