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Kritisch und verwöhnt?

Kritisch und verwöhnt?

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Es war der traurige Höhepunkt der Radsportsaison: Andy Schleck verkündete am Donnerstag sein Karriereende mit 29 Jahren. Der jüngere der Schleck-Brüder war der größte Luxemburger Radsportler seit Charly Gaul.

Und ein bisschen teilte er das gleiche Schicksal mit dem „Engel der Berge“. Denn obwohl beide großartige Erfolge feierten, verstummte die Kritik an ihnen nie.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Was sich bei Charly Gaul Mitte der 1960er-Jahre in Pfeifkonzerten manifestierte und im völligen Rückzug des Champions aus dem (öffentlichen) Leben endete, spielt sich bei seinem legitimen Nachfolger im Netz ab. In Anbetracht der vielen kritischen – um es einmal nett zu formulieren – Kommentare drängt sich dann doch die Gretchenfrage auf: Luxemburg, wie hast du’s mit dem Sport?

Wie kann es sein, dass großartige Siege zunächst über Gebühr gefeiert werden, aber dann beim kleinsten Anzeichen von Schwäche der einstige Held fallen gelassen wird? Ist der Luxemburger zu kritisch oder aber nur verwöhnt? Ein undankbarer Erfolgsfan, der nicht verlieren kann? Für Letzteres spricht, kleiner Scherz am Rande, dass es wohl nirgendwo auf dieser Welt – nicht einmal in Deutschland – eine größere Dichte an Fans von Bayern München gibt als hierzulande.

Beispiel Fußball und Tennis

Das Spiel des Jahres der Luxemburger Fußball-Nationalmannschaft am Sonntagabend im Stade Josy Barthel jedenfalls war ausverkauft. Was natürlich in erster Linie am Gegner Spanien lag. Dabei hätte diese FLF-Auswahl in Anbetracht der bemerkenswerten Fortschritte der letzten Jahre bei jedem Spiel ein volles Stadion und vor allem die volle Unterstützung der Fans verdient. Wobei das alles andere als zeitgemäße Stadion vor allem bei schlechtem Wetter nun wahrlich nicht zu einem Besuch einlädt.

Vielleicht ist es aber auch der Sport-Overkill im TV, der dem Luxemburger Sport schlecht bekommt. Wer andauernd Champions League serviert bekommt, der interessiert sich irgendwann nicht mehr für die Europa League. Und schon gar nicht für Amateursport.

Ein ähnliches Bild gibt es im Tennis. Show-Matches mit großen Namen und VIP-Catering ziehen die Massen an. Ein Duell zwischen Marin Cilic und Kei Nishikori würde dagegen wohl nur die allerwenigsten hinter dem Ofen hervorlocken, obwohl sich beide unlängst im US-Open-Finale gegenüberstanden. Nur die absoluten Topstars des Tennis-Zirkus wie Federer, Nadal oder Djokovic würden ein volles Haus garantieren.

Zurück zu Andy Schleck. Natürlich hätte der Mondorfer mehr aus seinem Talent machen können. Auf der anderen Seite aber stehen Erfolge, auf die Luxemburg über 50 Jahre lang warten musste. Ohne die Leistungen eines Kim Kirchen oder anderer schmälern zu wollen, es ist Andy Schleck, der zum Inbegriff der Renaissance des Luxemburger Radsports wurde. Den Boom können die Radhändler ebenso bestätigen wie die Autofahrer am Wochenende, die sich über die vielen Hobbyradler auf Luxemburgs Landstraßen ärgern. Im Ausland war Andy Schleck so etwas wie ein Botschafter und Werbeträger des Großherzogtums. Das allein verdient schon jede Menge Respekt.

Wer da noch immer etwas zu meckern findet, dem ist nicht zu helfen, denn der hält definitiv nicht viel vom Sport.