Es hatte schon etwas von einer Armee ohne Feldherr, als der F91 Düdelingen am 18. September das Hauptgebäude des Flughafens Findel betrat, um die Reise zum ersten Europa-League-Gruppenphasenspiel gegen Apoel Nikosia anzutreten. Trainer Emilio Ferrera war nicht dabei und eine große Frage stand im Raum: War der Belgier zurückgetreten oder von F91-Mäzen Flavio Becca entlassen worden? Später stellte sich heraus, dass der eigenwillige Ferrera aus freien Stücken abgedankt hatte. Kommuniziert wurde dies vom Verein bis heute nicht. Der Abgang des Conquistadors, der Düdelingen überraschend zum zweiten Mal nacheinander in die Gruppenphase geführt hatte, wurde und wird totgeschwiegen.
Der Thronfolger kam aus Thailand, war ohne Konkubinen angereist und musste aus dem Schlamassel das Beste machen. Bertrand Crasson, ehemaliges belgisches Raubein, war nur eine Woche Co-Trainer, bevor ihm das Zepter überreicht wurde. Im Mannschaftshotel auf Zypern gab er in einem kleinen, kargen Versammlungsraum seine erste Pressekonferenz und musste über Spieler philosophieren, die er erst sieben Tage vorher kennengelernt hatte. Der Mann war um seine neue Aufgabe nicht zu beneiden.
Dabei halfen auch die warmen Temperaturen in Zypern nicht, die ihm die Eingewöhnung bei seiner Rückkehr auf den alten Kontinent erleichterten. Zur Seite stand ihm aber ein Adjutant höchster Güteklasse. Nicht auf der Bank, sondern auf dem Feld.
Danel Sinani hat mit seinen 22 Jahren bereits einen Signature Move. Und der geht so: Einmal von rechts in die Mitte ziehen, abwarten, noch einmal abwarten und dann mit dem linken Fuß die Kugel in das rechte Torwarteck schießen. Klingt einfach und ist wahrscheinlich so leicht zu verteidigen wie einst die Schüsse von Arjen Robben. Genau wie beim ehemaligen Bayern-Star war dieser Signature Move jedoch fast nie zu verteidigen. Sinani traf alleine in der Europa League viermal auf diese Weise. Und auch an diesem denkwürdigen Abend auf Zypern packte das luxemburgische Talent seine Waffe aus und traf zum 4:3-Endstand.
Dabei erlebte Crasson bei seinem Einstand Höhen und Tiefen. Nach der 2:0-Führung nach der Pause ging er während 427 Sekunden durch die Hölle. Düdelingen kassierte während dieses Zeitraums drei Gegentreffer und lag 2:3 im Hintertreffen. Selten erholen sich Mannschaften von solch schnellen Rückschlägen. An diesem denkwürdigen Abend sollte dem F91 aber fast alles gelingen. Die Mannschaft war wie losgelöst. Das war wohl gleichermaßen das Verdienst des lockeren Crasson, aber auch der Erlösung geschuldet, die der unbeliebte Ferrera nach seinem Abgang hinterlassen hatte.
Düdelingen hatte als erste luxemburgische Mannschaft in der Europa League einen Sieg geholt. Stunde später lehnte sich Crasson am Pool des Mannschaftshotels in seinem Stuhl zurück und genoss den Moment. Nur wenige Meter entfernt von dem kargen Konferenzraum, in dem er etwas mehr als 24 Stunden zuvor mit unsicherer Gestik seinen ersten offiziellen Auftritt hatte. Was für ein Tag.
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