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Keine Öffnung

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Joseph Ratzinger, alias Papst Benedikt XVI., hat ob nachlassender physischer und/oder geistiger Fitness seinen Rücktritt erklärt. Der Traditionalist hat damit mit einem tausendjährigen Usus gebrochen.

Bislang traten Päpste nicht zurück, sie starben in Amt und Würden und, wie das Beispiel von Benedikts Vorgänger zeigte, auch gerne mal über Monate hinweg öffentlich.
Dass der bayrische Pfarrer den Schritt dennoch wagte, scheint deshalb weniger mit Innovationsgeist zu tun zu haben als mit Vatikan-internem Stress, mit Machtkämpfen und unheiligen Strippenziehern, denen er kaum noch etwas entgegensetzen konnte. Die sog. Vatileaks-Affäre war dabei offensichtlich nur die Spitze eines Eisberges.
Dass Mitarbeiter den Schreibtisch des Pontifex durchwühlten und Gefundenes gerne mal weiterreichten, war ebenso neu für den Vatikan wie der jetzt erklärte Rücktritt.
Es mag sein, dass Ratzinger ein intellektueller Theologe ist, insofern Intellektualität in einer nicht-wissenschaftlichen Fakultät kein Widerspruch in sich ist; sein berufliches Wirken war allerdings von Rückständigkeit und gefährlichem Beharren auf Positionen geprägt, mit denen er nicht nur aufgeklärt denkende Katholiken verbrämte, sondern auch ziemlich direkt Menschenleben auf seine Bilanz (Gewissen in der katholischen Semantik) lud.
Seine Aussage während eines Kamerun-Aufenthalts spricht hier Bände: Die Verteilung von Kondomen würde das Aids-Problem nur vergrößern und sei kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Seuche.
Doch auch in kircheninternen Fragen, etwa der Annäherung an die Protestanten, entsprechen die nun schnell verbreiteten Lobgesänge auf Ratzinger nicht der Wahrheit. Im Gegenteil: Während seines Deutschland-Besuches wurden die Trennlinien zwischen den Lutheranern und den Katholiken eher noch stärker gezogen als bislang. Die Muslime schockierte er gleich zu Anfang seiner Amtszeit mit überheblichen Aussagen.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Kaum Engagement für Missbrauchsopfer

Auch den Skandal des systematischen Missbrauchs von Kindern innerhalb von katholischen Institutionen saß der 264. Papst „seelenruhig“ aus. So schreibt die deutsche Selbsthilfegruppe „Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.“ in einer ersten Reaktion auf den Rücktritt: „Zur Unterstützung der Opfer trug Ratzinger aus unserer Sicht nichts bei. Stattdessen wurden Täter und Serientäter weiter geschützt und versetzt. Ratzinger leistete insbesondere zur Gleichbehandlung der Opfer von sexualisierter Gewalt weltweit keinen Beitrag. Während etwa Opfer in den Vereinigten Staaten mittlerweile in einer angemessenen Höhe von teilweise mehr als einer Million Dollar entschädigt werden und die Personalakten der Täter zum Zweck der Aufklärung im Internet veröffentlicht werden, müssen sich die Opfer von sexualisierter Gewalt von Geistlichen und Kirchenangehörigen in Deutschland mit mehreren Tausend Euro abfinden, oftmals verbunden mit einer Schweigepflichtserklärung und dem Verzicht auf weitere Ansprüche …“ Die Luxemburger Opfer können diese Aussage wohl bestätigen.
Auch das Frauenbild veränderte der abtretende rechtskonservative Ratzinger nicht. Kirchliche Ämter bleiben ihnen weiterhin verwehrt: Eva lässt grüßen.
Die acht Jahre Ratzinger waren demnach für die katholische Kirche Jahre des Stillstands, der Zementierung rückständiger gesellschaftlicher Ansichten.
Eigentlich dürfte es nicht-religiösen Menschen ja egal sein, wer im Vatikan das Sagen hat, wäre da nicht die enorme wirtschaftliche und in vielen Ländern auch politische Macht des Papstes, die allein schon im Interesse der Menschheit nach einem fortschrittlicheren Pontifex verlangt.
Allerdings darf sich die Begeisterung bei all jenen, die nun auf einen Erneurer hoffen, in Grenzen halten: Bereits unter Wojtyla sorgte der angehende Rentner als Glaubens- und Personalchef dafür, dass überwiegend Mitglieder und Sympathisanten des reaktionären Opus Dei ins Kardinalskollegium gewählt wurden, jenes Gremium also, das noch vor Ostern einen Nachfolger bestimmen soll.