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Kein Pardon für Luxemburg

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Akt 1. Luxemburg, Cloche d’Or, 2010. In der Chefkonferenz bei PwC geht es knallhart zu. Man wird sich von diesem bis vor kurzem hoch geschätzten Kollegen trennen, dafür gibt es jede Menge Gründe.

Er hatte zwar Zugang zu vertraulichen Dossiers vieler Großkunden aus aller Welt, aber er würde schweigen. In dieser Branche ist Schweigen Geld.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Akt 2. Selbiger Ort, am Tag danach. Beim Sicherheitscheck der Datenbestände fehlen 28.000 Dossiers, ausgerechnet solche von renommierten Unternehmensgruppen, die via PwC Steuervorteile in Luxemburg genießen konnten. Er, der gestern Entlassene, muss es gewesen sein. Krisensitzung. Wenn dieser USB-Stick in die falschen Hände gerät, droht eine Image-Katastrophe mit unabsehbaren politischen und finanziellen Schäden. Die PwC-Führung beschließt, Finanzminister Frieden unverzüglich zu informieren. Die Kettenreaktion könnte einen Super-GAU auslösen.

Akt 3. Die Zeitbombe tickt, und die Luxemburger Politik schläft. Man nimmt die Sache nicht allzu ernst. Schließlich operierte die Steuerverwaltung im Rahmen der nationalen Legalität, welche konform zu den europäischen und internationalen Verträgen ist. – Der Aktendieb hat den Abnehmer gefunden. Einen, der das brisante Material zu dem für ihn günstigsten Zeitpunkt einsetzen wird. Seit der Bankenkrise ringen die EU-Finanzminister um die Steuereinnahmen, die ihnen wegen besserer Bedingungen beim Nachbarn entgehen.

Akt 4. Der in Luxemburg abgewählte Premier geht im Mai 2014 für die EVP ins Rennen um den Vorsitz der EU-Kommission. Unter seinen Ex-Kollegen im EU-Rat hat er gewichtige Gegner, zuvorderst David Cameron. Juncker wird vom Parlament durchgeboxt und am 15. Juli ernannt. Der Brite ist geschlagen.

Akt 5. Ende Juli. Aus dem Nichts tauchen in den Redaktionen von renommierten Zeitungsverlagen, die zusammen das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) bilden, die 28.000 im Jahre 2010 bei PwC in Luxemburg entwendeten Steuerberechnungen und -bescheide auf. Gratis. Einfach so. Man wird etwa vier Monate, also bis Anfang November, für die Enträtselung brauchen. Dann kann die Bombe platzen.

Akt 6, am 5. November. LuxLeaks, das Topthema. Welch ein Zufall: Gerade nimmt die Juncker-Kommission die Arbeit auf, gerade ist G-20, gerade verkünden die EU-Finanzminister, eigentlich gebe es kein Budgetproblem, sondern ein Steuerhinterziehungsproblem. Schande über Luxemburg! Legt die Räuber in Fesseln! Schasst den Bock, den ihr zum Gärtner gemacht!

Wie es weitergeht, jetzt? Nun, Juncker wird versuchen, sich mit Strenge gegenüber Luxemburg zu retten. Frieden verdient guten Gewissens seinen Lohn am Finanzplatz London. Die überforderte neue Regierung muss ihre finanz-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele überdenken. Und zwar gründlich.

Wer, wie sie, dem gewaltigen Druck fast aller EU-Partner ausgesetzt ist, kann sich in der Tat nicht auch noch einen innenpolitisch ruinösen Streit an der sozialen Front leisten. Sie braucht jetzt den Schulterschluss mit den Kräften, die sich anschicken, ihr wegen der unsozialen Austeritätsmaßnahmen den langen, zermürbenden Kampf anzusagen, in dem sie schließlich unterliegen wird.

Liebe Bettel, Schneider und Braz, wer im Irrtum verharrt, ist des Teufels. In dessen Klauen wollt ihr doch nicht endigen, oder?