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Horizont der Ambitionen

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Die Entscheidung Frankreichs, ein Wörtchen bei Auslandsinvestitionen mitzureden, wenn es laut Paris um strategisch wichtige einheimische Unternehmen geht, ist bereits heiß umstritten.

Es gibt jede Menge Gründe, die für und wider die verstärkte Protektion – Achtung, Protektionismus wird von Brüssel bestraft! – der französischen Industriekonzerne durch Paris plädieren.

Frankreich riskiert, ausländische Investoren zu verprellen, weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren oder falsche industrielle Entscheidungen aus politischen Erwägungen zu ziehen – um nur diese Gründe auf der Negativliste aufzuzählen. Frankreich könnte aber im Gegenzug dadurch den Ausverkauf von Know-how verhindern, seine Desindustrialisierung bremsen und vielleicht sogar wieder etwas den Weg der Reindustrialisierung einschlagen.

Dabei dürften die, die jetzt wieder laut vor Colbertismus und Protektionismus warnen, nur einen kleinen Blick über den Großen Teich werfen und sich anschauen, wie die USA strategisch wichtige Industriezweige und sogar Märkte – man erinnere sich an die Episode um die Bestellung von Tankflugzeugen für die US-Luftwaffe – vor dem Einfluss ausländischer Interessen abschotten.

Es sollte sich doch mal jemand trauen – vorausgesetzt, er verfügt über das nötige Kleingeld –, den Amerikanern Google oder Facebook abzukaufen.

Doch das größte Problem bei der Entscheidung aus Paris liegt ganz woanders – sie ist halbgebacken, weil sie nur Frankreich und eben nicht den Kontinent betrifft.

Denn die Verteidigung der „fleurons industriels“ – samt populistischen Auftritten, wenn auch nicht immer durch die jeweiligen Industrieminister – wird sehr wohl auch in den USA, China, Brasilien, Russland betrieben – nur eben auf einer ganz anderen Ebene wie auf dem kleinen französischen Parkett.

Und gerade hier zeigt sich die schwäche Europas: Die Strategien der Wirtschafts- und Industriepolitik werden nach wie vor durch den kleinen Rahmen europäischer Nationalstaaten bestimmt. Dabei hat das politische Klein-klein des europäischen Kontinents noch ganz andere negative Konsequenzen zur Folge.

Während in den großen „kontinentalen“ Nationalstaaten der Welt – allen voran in den USA und China – in den letzten Dekaden eine ganze Reihe von neuen wirtschaftlichen Global Playern entstanden sind, findet man in Europa nicht ein einziges derartiges Beispiel.

Big ist manchmal ganz schön beautiful

Denkt man an große europäische Unternehmen, dann fallen einem Namen von Konzernen ein, die zwar Spitzentechnologie liefern, aber deren Gründung eben auf Unternehmen aufbaut, deren Wurzeln zum Teil bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Sogar Airbus ging aus einer Zusammenlegung von europäischen Firmen hervor, die zwischen den beiden Weltkriegen gegründet wurden.

Es gibt schlicht kein europäisches Google, kein Facebook, kein Microsoft, kein Alibaba und kein Huawei. Dabei sind es gerade diese Unternehmen, die – im Verbund mit ihrer nationalen Politik – weltweit die Gesellschaften prägen, die Märkte öffnen und letztlich beherrschen.

Der Mangel an ein paar Global Playern aus Europa bedeutet auch einen Macht- und Mitbestimmungsverlust des Kontinents.

Währenddessen überwacht die Kommission in Brüssel den Wettbewerb – beim Beispiel Marktbeherrschung durch Google zurzeit eher sogar mehr schlecht als recht. Man steckt sich eben die Ziele, die man erreichen kann – im Fall Europas gehen diese nicht viel weiter, als es der Horizont seiner Mitgliedstaaten erlaubt.

Sascha Bremer