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Hardliner haben ausgedient

Hardliner haben ausgedient
(AFP)

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Erinnern Sie sich an die grüne Revolution? Die hat im Iran stattgefunden. Zehntausende protestierten bereits vor den Wahlen im Juni, ebenso viele, als kurz danach Ahmadinedschad zum Wahlsieger proklamiert wurde.

Vor den Wahlen sprach man auf den Straßen von einer anderen Politik, davon, dass man ein anderes Leben führen wollte und dass man der internationalen Isolation überdrüssig sei, die durch die Außen- und besonders die Atompolitik einsetzte. Nach den Wahlen sprach man von Wahlmanipulation. Bei den Protesten der grünen Revolution kamen mindestens 72 Menschen ums Leben. Das Bild der Studentin Neda Agha-Soltan ging um die Welt. Das war im Jahr 2009.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Damals haben die Konservativen und Hardliner sich durchgesetzt. Die ganze Welt zeigte sich besorgt und enttäuscht darüber, dass es nicht zu einer Neuausrichtung der iranischen Politik gekommen ist. Die konnte erst in diesem Jahr erfolgen, nachdem Ruhani bei den Wahlen mit knappen 50,7% neuer Präsident wurde. Er ist ein Geistlicher, gilt jedoch als moderat. Und er will sein Land aus der Isolation herausbringen sowie die Sanktionen wegen des Atomprogramms stoppen. Jetzt, da also die moderaten Stimmen im Lande das Sagen haben, fällt es der internationalen Staatengemeinschaft schwer, dem Iran zu trauen. Obwohl man vor vier Jahren den ausbleibenden Wechsel noch bedauert hat, beschloss man nur zögernd, aber immerhin, den iranischen Zeichen eines Einlenkens im Atomstreit Glauben zu schenken und Verhandlungen zu führen, die nun zu dem sechsmonatigen Atomdeal geführt haben.

Von vorgesehenen 45% bleiben 11%

Dass man zögerte, hatte vor allen Dingen mit dem außenpolitischen Brecheisenstil von Ruhanis Vorgänger Ahmadinedschad zu tun. Dieser nutzte die internationale Politik hauptsächlich dazu, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Der Hardliner tat seinem Land damit keinen Gefallen. Aus dem Lieblingsspruch des Ahmadinedschad, Israel müsse von der Landkarte verschwinden, wurde die größte Gefahr für sein eigenes Land.

Umso mehr als er eigentlich nur der israelischen Politik zuspielte. Jedenfalls der des Benjamin Netanjahu. Ahmadinedschad war so was wie ein unfreiwilliger Helfer der israelischen harten Linie. Je mehr er drauf lospolterte, umso mehr konnte Israel seine Haltung festigen, die auch einen militärischen Einsatz gegen den Iran in Erwägung zog, um diesen an dem Bau einer Atombombe zu hindern.

Eine Drohung, die, würde sie während der nächsten sechs Monate wahr werden, einem politischen und diplomatischen Suizid gleichkäme, wie es der französische Außenminister Laurent Fabius am Montag ausdrückte. Dass sogar die USA Netanjahu nicht mit in die Verhandlungen mit dem Iran einbanden, lag nicht alleine an dieser Position. Es hatte eher den Anschein einer Retourkutsche. Eine Retourkutsche dafür, dass Hardliner Netanjahu die Bemühungen der USA und ihres Außenministers Kerry, den Friedensprozess in Nahost wieder in Gang zu bringen, mit allen Mitteln zu torpedieren suchte. Entgegen anderer Beteuerungen. Der Hardliner tat seinem Land damit keinen Gefallen.

Von den 1948 von der UNO vorgesehenen 45% des damaligen Palästinas für einen palästinensischen Staat (55% für Israel) bleiben heute nurmehr 11%. Dazu hat, nicht nur, aber auch, Netanjahu wesentlich mit seinen ständigen Mammut-Siedlungsprogrammen und anderen Projekten (Mauerbau) beigetragen.

Wenn solche Ankündigungen, ähnlich der Taktik Ahmadinedschads, denn nicht dazu dienten, die sozialen Probleme seines Landes vor der internationalen Wahrnehmung zu kaschieren. Wie z.B. die großen sozialen Proteste, als es nicht nur aus den Demonstranten-Zelten in Tel Aviv herausschallte, eine ganze Generation wolle eine Zukunft. Das war vor zwei Jahren.

Das mit der Retourkutsche gilt auch für die Verhandlungen mit der EU über die Weiterführung der Forschungszusammenarbeit. Die hier fließenden Gelder dürfen nicht mehr in besetzte Gebiet gelangen, wurde gestern festgehalten. „Die europäischen Forderungen sind eine Folge jahrelanger Verbitterungen aufgrund des fortgesetzten Siedlungsausbaus“, schreibt die Tageszeitung Jediot Ahronot. Netanjahu droht mit seiner bisherigen Politik künftig im politischen Abseits zu stehen. In Israel wie im Iran scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen: Hardliner haben ausgedient.