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Gott oder die Demokratie

Gott oder die Demokratie

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Mit jedem Tag, den Allah werden lässt, schmilzt – im Westen wie vor Ort – die Begeisterung über das, was einmal als Arabischer „Frühling“ bezeichnet wurde, unaufhörlich dahin. Dass in Tunesien, Libyen oder Ägypten in absehbarer Zeit eine echte Demokratie entstehen könnte, glaubt mittlerweile kaum noch jemand.

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Und in Syrien wird es auch keine geben. Allein schon weil es – wenn die ihr eigenes Land weiterhin mit so viel Begeisterung zu Klump hauen – irgendwann kein Syrien mehr gibt.
Ein zentrales Problem: Demokratie und Islamismus sind nicht unter einen Hut zu kriegen. Nicht nur bei den Arabern. Lange Zeit hatten in Europa vor allem konservative Kreise sich darüber gefreut, dass der türkische Premier Erdogan bewiesen habe, dass er als „Islamdemokrat“ in derselben Liga wie die europäischen „Christdemokraten“ spiele.

Die jüngsten Ereignisse in Istanbul haben aber deutlich gemacht, dass – was aber schon länger abzusehen war – der Wolf bloß Kreide gefressen hatte und bloß einigermaßen geduldig abwartete, bis die Zeit gekommen war, um die schrittweise Abschaffung dieses lästigen demokratischen Gedöns ins Werk zu setzen.

Zynischer Kreidefresser

Mit seinem sinistren Spruch, dass die Demokratie eine Tram sei, in der man nur so lange mitfahre, bis man an seinem Ziel angelangt sei, verriet er sich endgültig als antidemokratischer Zyniker, dem es bloß darum geht, die türkische Gesellschaft langfristig wieder unter das Joch obskurantistischer religiöser Vorstellungen zu beugen.

Wer der Meinung ist, dass die Gesetze irgendeines göttlichen Fabelwesens über jenen stehen, die von einem in freien Wahlen bestimmten Parlament beschlossen wurden, kann grundsätzlich kein Demokrat sein.

Wer der Ansicht ist, dass sein Gott z.B. Abtreibung oder Sterbehilfe ablehnt, der soll halt, was seine eigene Person anbelangt, auf diese Rechte verzichten. Wer aber glaubt, dass andere Menschen elend und verzweifelt, ohne Aussicht auf ein würdiges Ende, an einer Krankheit verrecken müssen, nur damit das von ihm selbst als real existierend angesehene Fabelwesen auch weiterhin gnädiger Laune sei, zeigt, dass er – sobald es ernst wird – mit Freiheit und Menschenrechten kaum was am Hut hat.

Insofern spielen etliche „Christdemokraten“ tatsächlich in derselben Liga wie die typischen „Islamdemokraten“.

Wozu braucht einer Parlamente, wenn der Mensch ohnehin nach dem Gesetz Gottes (fragt sich bloß, welchen) zu leben hat.

Dann soll der Bischof oder der Imam doch gleich verkünden, was zu tun ist, und der Politik bleibt lediglich noch, zu exekutieren. Denn siehe, der Herr hasst all jene, die sich gegen seinen heiligen Willen empören. Und ihre Strafe wird sein ewige Höllenpein und/oder eine schnöde Kugel in den Kopf, wie es Gottes Henkersknechte in Tunesien so gerne tun.

Gottes Diktat oder demokratische Entscheidungsfindung? Wie heißt es so schön im klassischen Western: „Kid, this town ain’t big enough for the two of us.“ Und in diesem Film trägt das Fabelwesen den schwarzen Stetson.