Eines dieser vielen, überdimensional großen, lauten und vollen Einkaufszentren: Menschen rempeln sich an, schubsen sich, motzen und werfen sich böse Blicke zu, es fehlt nicht viel und sie würden sich die Köpfe einschlagen, auf der Jagd nach dem größten Parkplatz, dem besten Schnäppchen und dem buntesten Weihnachtskitsch. Die Ware gibt es zwar im Überfluss, dennoch denkt jeder, er käme zu kurz. Der Samstag wird zum Stresstag, von den Lebensmitteln zum Metzger und den Schuhen und noch schnell in die Drogerie und zu den Delikatessen. So sieht sie aus, die Kaufwut der Konsumabhängigen.
Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
Konsumabhängige sind wie Drogenabhängige, sie brauchen den Stoff. Auch wenn er sie eigentlich kaputt macht, sie in einen Teufelskreis verstrickt, ein Teufelskreis des „mehr arbeiten, mehr verdienen, mehr kaufen“. Konsumabhängige sind gar nicht in der Lage, das System zu hinterfragen. Sie hängen von ihm ab, sind ein Teil des Systems. Ein wichtiger Teil, wenn nicht der wichtigste, denn ohne sie würde das gesamte System in sich zusammenstürzen.
Der Soziologe Klaus Hurrelmann und der Journalist Erik Albrecht haben dieses Jahr ein Buch herausgegeben, das glücklich stimmt. Denn es zeigt, dass es nicht unbedingt immer so weitergehen muss, mit der Arbeits- und Kaufwut der Konsumabhängigen. Dabei haben sie eine Generation unter die Lupe genommen, der man, auf den ersten Blick zumindest, nicht gerade zutrauen würde, unsere Gesellschaft umzukrempeln: die Generation Y, jene, die zwischen den späten Siebzigern und den frühen Neunzigern geboren wurden und von ihren Eltern, den Baby-Boomern, verhätschelt und verweichlicht wurden, keine materielle Not kennen und kaum politisch interessiert, geschweige denn engagiert scheinen.
Es fällt leicht, über sie herzufallen, über diese sogenannte Generation Y, die synonym dazu auch „Generation Kopf unten“ genannt wird, da sie immer auf ihr Smartphone blickt, überhaupt ziemlich wenig redet und kaum Interesse zeigt am alltäglichen Wahnsinn unserer Welt, einer Welt voller Hektik und Staus, voller unnützer Diskussionen, voller verrosteter, reformbedürftiger Strukturen.
Dabei war keine Generation vor ihnen unabhängiger. Sie sind bestens ausgebildet, dafür haben Mami und Papi gesorgt, international orientiert und vor allem: krisenerfahren. Sie haben die Finanzkrise hautnah miterlebt, nicht unbedingt als Akteur, dafür aber als unabhängiger Beobachter, sie haben verstanden: Geld macht nicht glücklich. Und materieller Reichtum ist nicht beständig.
Daraus ziehen sie ihre Konsequenzen, von festgefahrenen Hierarchien halten sie ebenso wenig wie von der strikten Trennung von Arbeit und Freizeit. Sie sehen ihr Leben als großes Ganzes, in dem alle Bereiche stimmen und aufeinander abgestimmt sein müssen. Sie entlarven die Konsummaschinerie als ein Leckerli zur Versklavung der Arbeiter und entwickeln alternative Modelle wie Tauschbörsen oder Car-Sharing. Ganz nebenbei, still und leise. Passend zur ach so besinnlichen Weihnachtszeit.
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