Obwohl die „Reds“ ihre Ansprüche auf den ersten Meistertitel seit 24 Jahren im Spitzenspiel gegen Manchester City eindrucksvoll untermauerten, so stand doch ein anderes Jubiläum im Mittelpunkt des Fußball-Wochenendes auf der Insel: Am Dienstag (15.04.14) ist es 25 Jahre her, dass sich in Sheffield eine der größten Stadionkatastrophen aller Zeiten ereignete (siehe auch Seite 25 im Tageblatt). Das Hillsborough-Drama kostete 96 Fans des FC Liverpool das Leben und veränderte Englands Fußball nachhaltig.
Philip Michel pmichel@tageblatt.lu
Der eigentliche Skandal begann mit der Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse. Die Behörden schoben die Schuld auf die Zuschauer. Die Polizei fälschte 100 Berichte, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Alle Opfer seien betrunken gewesen, hieß es unter anderem. Dass das jüngste von ihnen gerade einmal 10 Jahre alt war, störte in der Argumentation nicht, schließlich hatten Fußballfans, und vor allem die „Scousers“ aus Liverpool, einen denkbar schlechten Leumund seit der durch einige unter ihnen mit ausgelösten Massenpanik im Brüsseler Heysel-Stadion1985. Prinzipiell galten Fußballanhänger damals als „Bürger zweiter Klasse“.
Die Lügen wurden vom Massenblatt The Sun verbreitet und von der Politik gedeckt. Denn die Regierung Thatcher hatte kein Interesse daran, die Polizei in unruhigen Zeiten an den Pranger zu stellen. Sie brauchte sie zwischen Bergarbeiterstreiks und „Poll Tax“-Massendemonstrationen als Verbündete.
Neues Publikum
Zudem bot das Hillsborough-Drama die Gelegenheit, den englischen Fußball von den „Bürgern zweiter Klasse“ zu „säubern“, um es in den Worten Margaret Thatchers auszudrücken. Der Taylor Report, der die Auswirkungen und Ursachen der Katastrophe analysierte, sorgte dafür, dass neben den Zäunen am Spielfeldrand auch die Stehplätze verschwanden, was dann tatsächlich den Fußball auf der Insel radikal veränderte. Die „einfachen Leute“, bis dahin Hauptklientel der Fußballvereine, konnten sich die teuren Sitzplatzkarten nicht mehr leisten, mit ihnen ging die einmalige Atmosphäre in Englands Fußballstadien verloren. Stattdessen machte sich ein neues, zahlungskräftigeres und vor allem emotionsloseres Publikum in den Stadien breit.
Selbst wenn der Taylor Report Englands Stadien sicherer machte, so basierte er doch auf Lügen. Was nicht vergessen werden darf, wenn es wie so oft in der letzten Zeit überhitzte Diskussionen über die Sicherheit in Fußballstadien gibt. Natürlich dürfen Menschen beim Besuch einer Sportveranstaltung nicht zu Schaden kommen. Aber der Sport lebt nun mal auch von Emotionen und darf nicht zu einer sterilen Veranstaltung für das Fernsehpublikum werden.
Im September 2012 entschuldigte sich Premierminister David Cameron im Namen des ganzen Landes bei den Hinterbliebenen der Hillsborough-Katastrophe für das Verhalten der Behörden und die jahrelange Passivität der Regierung bei der Aufklärung der Geschehnisse des 15. April 1989. Zuvor war ein unabhängiges Gremium zum Schluss gekommen, dass mindestens 41 Opfer noch leben könnten, hätten die Sicherheitsbeamten ihre Arbeit richtig gemacht. Das war nur ein Etappensieg, denn seit Ende März dieses Jahres werden die Fälle jedes einzelnen Opfers neu aufgerollt. 25 Jahre mussten vergehen, ehe die ganze Wahrheit ans Licht kam und den Opfern endlich Gerechtigkeit widerfuhr. Aber besser spät als nie.
PS: Im nächsten Monat (Mai) jährt sich das erste Bommeleeër-Attentat zum 30. Mal.
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