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Geistliche Alzheimer

Geistliche Alzheimer
(Tageblatt-Archiv)

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Vertikale Strukturen, auch wenn sie allgemein nicht immer die fortschrittlichste Manier sind, ein Unternehmen weiterzubringen, scheinen zumindest in einer doch wohl verkrusteten Vatikan-Verwaltung die einzige Möglichkeit zu sein, dem kompletten Untergang durch pompöses Machtgehabe und bischöflichen bis erzbischöflichen Zickenkrieg zu entgehen.

Eigentlich könnte es uns ja egal sein, was die oberste Verwaltung der katholischen Sekte so umtreibt; da allerdings die römischen Gläubigen an ein besseres Sein nach dem Ableben auch in Luxemburg zurzeit harte Gefechte um ihre Pfründe führen, lohnt sich der Blick gen Süden dann doch.
Und da versuchte ein trotz hohen Alters noch recht frischer Papst Franziskus dieser Tage, seine Verwaltung auf recht ungewöhnliche Weise in den Griff zu kriegen.

15 Krankheiten diagnostizierte er in der obersten kirchlichen Verwaltung, der sogenannten Kurie – u.a. „geistliches Alzheimer“ –, und das ausgerechnet beim traditionell eher versöhnlichen Weihnachtsempfang für die leitenden Mitarbeiter.

Mit dem Verweis auf die Zivilisationskrankheit meinte der Pontifex die seiner Meinung nach gegebene Tatsache, dass die Bindung an Christus und die Heilsgeschichte bei einer übertriebenen Geschäftigkeit vergessen werde.
Der Stellvertreter auf Erden der katholisch verehrten Gottheit scheint demnach auf öffentliche Auftritte (auch wenn die Rede hinter verschlossenen Türen gehalten wurde, wurde das Manuskript im Anschluss verteilt) angewiesen zu sein, um den vatikan-städtischen Stall ausmisten zu können.

Franziskus ereiferte sich vor seinen hohen Beamten außerdem über Rivalitäten, materielles Gewinnstreben, Geschwätzigkeit und sogar über ein „Doppelleben“ verschiedener seiner Untergebenen. Aber auch weitere, auch in anderen, nichtreligiös geprägten Unternehmen weit verbreitete Untugenden, wie übertriebene Unterwürfigkeit gegenüber Vorgesetzten (aus reinem Karrierekalkül), prangerte der Papst kurz vor dem hohen Fest der Katholiken, das an die Geburt von Schreiner- bzw. Gottessohn Jesus Christus erinnern soll, an.

Es brauche Umkehr und Buße in der Kurie, so Franziskus, der bereits in der vorweihnachtlichen Zeit den zweiten Mann in der Vatikan-Hierarchie, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, in den Ruhestand geschickt hatte. Dieser wurde dem Erzbischof mit einer neuen Wohnung im Vatikan vergoldet, und zwar mit zwei zusammengelegten Luxuswohnungen von insgesamt 600 Quadratmetern Wohnfläche (etwas größer also als ein gewisser Stall in Bethlehem).

Dabei empfiehlt Franziskus den Würdenträgern seines Vereins „ein Leben, in dem die Armut ihre Schwester sei“.
So ganz scheint sich der argentinische Newcomer demnach noch nicht durchsetzen zu können (ob es ihm wohl wie Johannes Paul I. ergehen wird?), und die Luxemburger Kirche, deren Vertreter auch nicht gerade in Armut unter den Bedürftigen wandeln, scheint sich – ganz auf Vorsicht und Sicherheit bedacht – vornehm beobachtend zurückzuhalten. Sie hat zurzeit denn auch andere Sorgen, als den Verzicht zu üben.
Das Luxemburger Erzbistum kämpft, wenn auch auf dem Rückzug, um jede Stellung, egal ob diese nun Pfarrergehälter, Präsenz in öffentlichen Schulen oder gesellschaftliche Mitsprache heißt.
Franziskus ist in Luxemburg noch nicht angekommen.

rschneider@tageblatt.lu