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Gegen die Börsenkratie

Gegen die Börsenkratie

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Wann endlich werden die führenden Politiker zur Rechenschaft gezogen, welche dem Kasino-Kapitalismus in Europa seit 1999 freien Spielraum boten?

Indem sie deregulierten, liberalisierten und privatisierten, was jahrzehntelang ordentlich funktioniert hatte?

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Um letztlich den „Märkten“ zu dienen, die, von ihrem Wesen aus, den maximalen Gewinn zugunsten der sogenannten Investoren anstreben müssen?

Die soziale Bilanz der Börsenkratie ist eine fürchterliche. Laut Eurostat sind allein in der Eurozone 17,4 Millionen Menschen offiziell arbeitslos, mehr, als in Holland leben; 11% der Beschäftigen! Eine Katastrophe dieses Ausmaßes hat es nie zuvor in diesem geografischen Raum gegeben.

Muss daraus nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass die Wirtschaft, insbesondere die Finanzwirtschaft, das allgemeine Interesse weit hinter die Interessen der einzelnen Unternehmen und der Aktionäre stellt?

Wie konnte das typisch europäische Modell der sozialen Marktwirtschaft, welches die höheren, die ethischen Ziele der Staaten achtete, zu diesem primitiven Dschungelsystem verkommen, das zulässt, und als normal empfindet, dass die Arbeitslosenquote bei jungen Männern und Frauen unter 24 folgende Prozentsätze erreicht:Griechenland 53, Spanien 51, Portugal und Italien 36, Irland 30, Ungarn 28, Polen 27, Schweden 23, Frankreich und Großbritannien 22, Finnland 20, Luxemburg und Belgien 17, Dänemark 15, Holland und Österreich 9?
Deutschland, mit seinen 8% Jugendarbeitslosigkeit, verdient dafür kein Kompliment.

Hartz IV und andere Schikanen machten es unter den Kanzlern Schröder und Merkel möglich, dass über ein Jahrzehnt lang die Löhne langsamer wuchsen als die Inflation. Dies förderte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportindustrie ungemein gegenüber den EU-Mitgliedern, die den Kaufkraftschwund teilweise kompensierten, mittels Index und Kollektivverträgen.

Das billiger produzierende Deutschland gewann Marktanteile zulasten seiner EU-Partner, die nun ihrerseits versuchen, dies und das abzubauen, was der Arbeitnehmer als unantastbar betrachtete. Anpassung, Gleichheit auf unterster Lohnebene, schließlich? Ist das Europas neues Ziel?

Wollen, sollen, müssen wir den weltweit tätigen Konzernen für das Geld zur Verfügung stehen, das sie dem Lohnabhängigen in China geben, 250 Euro im Monat? Weil es so die Märkte von den Managern verlangen, die Börsenkratie, die dem Business, welches sie finanziert, immer höhere Renditen-Latten legt, 15 und 20 und mehr Prozent des Kapitaleinsatzes pro Jahr?

Lange ist es noch nicht her, als der Sparer sich mit einem Ertrag leicht über der Inflation abfand. Die Banken, wenn sie des Sparers Geld etwas teurer an die Industrie, den Handel, das Handwerk und Private liehen, verdienten anständig.

Ist man sich in politischen Kreisen bewusst, was die frei wuchern dürfende Gier nach immer mehr Zins und Zinseszins an gesellschaftlichem Schaden angerichtet hat, in der Gestalt von Betriebsauslagerungen, Schließungen, Konkursen, mit ihrem Rattenschwanz von finanziellen Desastern für Länder und Kommunen, und ganz besonders für Millionen Menschen, die, ihres Einkommens beraubt, von Arbeitsämtern und Armenbüros abhängig wurden?

Zu spät schon, oder noch nicht?

Wie, inzwischen, über 20.000 Personen in Luxemburg – 20.000, die Zahl gilt nach dem Export der entlassenen Grenzgänger nach Frankreich, Belgien und Deutschland?

Vielleicht ist es schon zu spät.

Vielleicht kann der Börsenkratie nicht mehr Einhalt geboten werden im zerstrittenen Europa. Vielleicht kommt zuerst die ganz große Katastrophe und dann erst der ganz große, der demokratische Befreiungsschlag der ausgeplünderten Massen.

Aber vielleicht springen noch einige der europäischen Zögerlinge auf den Zug des neuen französischen Präsidenten.

Er fährt in die richtige Richtung, Herr Juncker, Herr Frieden! Hoppla!