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Fußball und Radsport

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„Warum sollte ausgerechnet in der Sportart, wo es mit Abstand um das meiste Geld geht, alles mit rechten Dingen zugehen?“

Marcel Kittel, Gewinner der ersten Etappe der 101. Tour de France, stellte diese Gegenfrage unlängst in einem Interview, in dem es wie so oft vor dem Start des wichtigsten Radrennens der Welt um das Thema Doping ging.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Während Doping auch weiterhin ein dominierendes Element in der Berichterstattung über den Radsport ist, findet das Thema bei der Fußball-Weltmeisterschaft kaum bis gar keine Beachtung. Im Radsport wurden die Siegerlisten in den vergangenen Jahrzehnten ständig neu geschrieben, der letzte Dopingfall bei einer WM datiert derweil aus dem Jahr 1994.

Wie Diego Maradona, der einstmals beste Spieler der Welt, nach seinem Treffer gegen Griechenland zur Seitenlinie sprintete und in die TV-Kamera jubelte, dieses Bild ging um die Welt. Vor allem weil wenig später herauskam, dass der Argentinier mit Ephedrin aufgeputscht war. Maradona also als Einzelfall. Aber spielt Doping im Fußball wirklich keine Rolle?

Gerüchte und Mutmaßungen gab es schon immer. Die deutschen Weltmeister von 1954 sollen mit Pervitin, einem Methamphetamin, die Müdigkeit bekämpft haben. Der alternde Zinédine Zidane soll während der WM 2006 zwecks EPO-Kuren Ausflüge in die Schweiz unternommen haben. Und was ist mit der berühmten Kundenliste des Dopingarztes Eufemiano Fuentes, die weiter von der spanischen Justiz unter Verschluss gehalten wird? Lediglich die Namen der Radfahrer fanden den Weg in die Öffentlichkeit, der Rest bleibt ein Geheimnis, weil die Liste offensichtlich zu viel Brisanz birgt und Namen von Tennis-Heroen bzw. den beiden berühmtesten Fußballvereinen Spaniens beinhalten soll.

„Fußball ist komplex, Spieler können von Doping nicht wirklich profitieren“, sagt FIFA-Chefarzt Jiri Dvorak, der das Anti-Doping-Büro des Fußball-Weltverbands leitet. Was natürlich außerordentlicher Quatsch ist, denn jeder Sportler kann von illegaler Leistungssteigerung (= Doping) „profitieren“. Mehr Kraft und vor allem mehr Ausdauer können bei einer Fußball-Weltmeisterschaft mit relativ vielen Spielen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums durchaus von Vorteil sein. Vor allem bei extremen klimatischen Bedingungen wie in Brasilien.

Die FIFA jedenfalls hält in Sachen Doping alle Fäden in der Hand, der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA bleibt lediglich die Beobachterrolle. Trainingskontrollen gibt es nicht. Nichts soll das Fußballfest stören, schon gar keine Negativschlagzeilen rund um Doping. Das könnte den Sponsoren des Milliardengeschäfts WM missfallen.

In bester Gesellschaft

Es ist also auch immer eine Frage, wie ernst es ein Verband mit der Dopingbekämpfung meint. Im Radsport hat man in Anbetracht der vielen Skandale der letzten 20 Jahre keine andere Wahl. Die Zeitenwende begann dort mit der Festina-Affäre 1998. Seitdem wird der Anti-Doping-Kampf nicht mehr nur halbherzig betrieben. Trotzdem gelang es anschließend einem Lance Armstrong siebenmal in Folge, die Tour de France zu gewinnen. Und zwar gedopt, wie wir heute wissen. Positiv getestet wurde der US-Amerikaner freilich nie.

Es scheint, als würde sich der Fußball zurzeit auf dem Stand des Radsports vor 1998 befinden. Und zwar, das sei nur am Rande bemerkt, nicht alleine, sondern in guter Gesellschaft anderer Verbände, die um ihre Pfründe fürchten. Marcel Kittel scheint also recht zu haben. Oder um es anders zu formulieren: Der Fußball ist wahrscheinlich genauso sauber wie die FIFA.