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(AFP/Archiv)

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Zwei Wirtschaftsexperten des Internationalen Währungsfonds haben jetzt also herausgefunden, was man mit etwas gesundem Menschenverstand eigentlich schon seit langem wissen könnte und müsste.

Olivier Blanchard und Daniel Leigh erklären nun in einer umfangreichen Studie, dass die Folgen des in der Europäischen Union durchgepeitschten Austeritätskurses negativer sind als anfänglich geplant.

Michelle Cloos mcloos@tageblatt.lu

Ups.

Der IWF hat sich anscheinend verrechnet, weil der sogenannte «fiskale Multiplikator» unterbewertet wurde. Die Erklärung, die sich hinter den langwierigen und in einer recht unverständlichen Expertensprache verfassten Erläuterungen versteckt, ist eigentlich recht einfach.

Die Konsequenzen der drastischen Kürzung der Staatsausgaben und der Steuererhöhungen (also die Reduzierung der Kaufkraft) für das Wirtschaftswachstum in den schuldengeplagten EU-Ländern wurden unterschätzt. Nach mehreren Jahren des Dauersparens dürfte dieser angebliche Irrtum die Millionen Menschen, die unter den verheerenden Folgen dieser grundsätzlich falschen Politik leiden, wohl kaum besänftigen. Denn der IWF hat den betroffenen Ländern jahrelang Lektionen in puncto Budget-Konsolidierung erteilt. Nur waren die verordneten Maßnahmen fehlerhaft.

Soziale Krise

Dieses Fazit haben zahlreiche Kritiker des Austeritätsdogmas aber schon viel früher gezogen. Die langjährige vermeintliche Unwissenheit der sogenannten Wirtschaftsexperten ist alles andere als glaubhaft. Gerade den IWF-Volkswirten müsste bereits seit dem Beginn der Krise bewusst sein, dass die von ihnen gepriesene Haushaltspolitik die wirtschaftliche Lage nur noch weiter verschlechtert.

Umso schlimmer ist, dass es beim Währungsfonds dennoch keine wirkliche Einsicht gibt. Trotz dieser manifesten Fehlberechnungen soll sich in Zukunft nichts ändern.

Erstens betonen die beiden IWF-Experten, dass das Arbeitspapier nur ihre eigenen Ansichten und nicht notgedrungen die des Währungsfonds widerspiegelt. Zweitens stellen sie die Austerität trotz der überaus deutlichen Resultate ihrer Analyse dennoch nicht grundsätzlich in Frage.

In den letzten Jahren hat sich die soziale Krise in Europa jedoch deutlich verschärft. Die Arbeitslosenquote erreicht jeden Monat eine neue, traurige Rekordhöhe. In der EU27 haben derzeit über 26 Millionen Menschen keinen Job, im Euroraum sind es fast 19 Millionen. In zahlreichen Ländern nimmt vor allem die Jugendarbeitslosigkeit immer besorgniserregendere Ausmaße an.

In Griechenland ist die Lage besonders dramatisch. Die steigende Armut erregt mittlerweile nicht mehr die anfängliche mediale Aufmerksamkeit. Doch die Situation verschlechtert sich immer weiter. Die Mittelklasse schrumpft, während das Elend sich ausbreitet. Viele Rentner können ihre Rechnungen schon vor dem Monatsende nicht mehr bezahlen, der Mindestlohn ist zum Leben eigentlich zu niedrig. Die Auslastung der Kinderheime ist seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise rasant gestiegen, weil zahlreiche Eltern finanziell nicht mehr für ihre Kinder aufkommen können und keinen anderen Ausweg sehen.

Das alles, weil die Experten sich eben verrechnet haben und weil Europas Politiker seit Jahren auf das falsche Rezept der Austerität schwören und die falschen Entscheidungen treffen.