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Flüchtlinge als lästige Ware

Flüchtlinge als lästige Ware

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Im Juli letzten Jahres ist ein Abkommen zwischen Australien und Papua-Neuguinea in Kraft getreten, das in Sachen Verantwortungslosigkeit gegenüber Flüchtlingen neue Maßstäbe setzt.

Laut dieser bilateralen Vereinbarung werden alle Asylbewerber, die auf dem Seeweg nach Australien gekommen sind oder auf See aufgegriffen wurden, umgehend nach Papua-Neuguinea abgeschoben. Im Gegenzug erhält der Inselstaat eine finanzielle Unterstützung für sein Gesundheits-, Bildungs- und Justizsystem. Eine Vereinbarung, die es Australien ermöglicht, Flüchtlinge mit einer lästigen Ware gleichzusetzen, durch deren bezahlten Abtransport man sich von jeglicher Verantwortung freikauft.

Damien Valvasori dvalvasori@tageblatt.lu

Für die Bootsflüchtlinge, die größtenteils aus dem Iran und Sri Lanka kommen – zwei Staaten, in denen öffentliche Exekutionen und die Inhaftierung von Regierungskritikern keine Seltenheit sind –, bedeutet dies, dass sie bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens unter haftähnlichen Bedingungen und menschenunwürdigen Zuständen auf der abgelegenen Insel Manus festgehalten werden. Dass die dortigen Verhältnisse Australiens Premier Tony Abbott nicht interessieren, wurde letzte Woche deutlich.

Nachdem Asylbewerber gegen ihre Lebensbedingungen protestierten, haben Bewohner von Manus ein Auffanglager mit Macheten und Steinen angegriffen. Ein Asylbewerber starb, über 70 Personen wurden verletzt. Von Mitverantwortung oder der Forderung einer Verbesserung der Lebensbedingungen war nichts zu hören. Stattdessen verhöhnte Premier Abbott die Flüchtlinge, indem er angesichts ihrer Demonstrationen von „moralischer Erpressung“ sprach und inhumane Zustände in Frage stellte.

Politisch und materiell überfordert

Dabei müssten die Verhältnisse auf Papua-Neuguinea der australischen Regierung lange vor den Unruhen auf Manus bekannt gewesen sein. Laut einem Bericht des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom Juli 2013 gibt es in Papua-Neuguinea „im rechtlichen wie sozialen Bereich signifikante Mängel bei der Aufnahme von Asylbewerbern aus Australien“. Aufgrund einer Internierung „unter armseligen Bedingungen“ sei das „körperliche und psychosoziale Wohlergehen“ der Flüchtlinge in Gefahr. Amnesty International spricht in einem Bericht vom vergangenen Dezember von „überfüllten gefängnisähnlichen Zellen“, „Wassermangel“ und einer „unzureichenden medizinischen Versorgung“. Solche Berichte dürften bei der australischen Regierung wohl in der Mülltonne gelandet sein. Für sie scheint nämlich das Prinzip zu gelten: aus den Augen, aus dem Sinn. Mit dem Abtransport der Flüchtlinge und dem ersten an Papua-Neuguinea überwiesenen Scheck hat man sich allem Anschein nach seiner Verantwortung entledigt.

In Europa sorgte die Flüchtlingspolitik Australiens indes für wenig Aufsehen. Vielleicht weil der alte Kontinent weiß, dass er selbst angesichts nicht abreißender massiver Flüchtlingsströme nicht nur politisch, sondern auch materiell überfordert ist.

Diese Überbelastung kann in manchen Fällen in unzumutbare Zustände münden. So tauchte im Dezember letzten Jahres ein Video auf, auf dem zu sehen ist, wie sich junge Flüchtlinge im Auffanglager der italienischen Insel Lampedusa auf erniedrigende Art und Weise im Freien vor einer Mauer nackt aufstellen mussten, um abgeduscht zu werden. Auch in Griechenland ist die Lage desaströs: In vielen hellenischen Auffanglagern herrschen unzumutbare hygienische Zustände. Die Zellen sind oft feucht und von Schimmel befallen. Letzten Endes entbindet die Belastung der Flüchtlingsströme weder Australien noch Europa von ihrer moralischen und humanitären Verantwortung.