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Finsternis in Richterschädeln

Finsternis in Richterschädeln

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Kann ein sortenreiner Brunzkopf im Jahre 2012 an einem Gericht eines EU-Staates als Richter amtieren? Nun, nach dem Urteil, das ein gewisser Marco Billi am Montag dieser Woche gegen sieben italienische Wissenschaftler gefällt hat, darf diese Frage fortan zweifelsfrei und letztinstanzlich mit „Ja“ beantwortet werden.

Billis Urteil gereicht der italienischen Justiz in specie als ein Monument der unauslöschlichen Schande, was auch immer die Richter der zweiten Instanz in dieser Sache befinden sollten.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Sicher, so wie wir Journalisten müssen auch Richter sich immer mal wieder auf Gelände vorwagen, auf dem es ihrer einschlägigen Sachkompetenz an der hinreichenden Trittfestigkeit gebricht.

Beider gottverdammter Pflicht ist es aber, sich in dem Falle erst einmal gründlich schlauzumachen, bevor sie lustvoll zu pontifizieren beginnen.

Richter Billis Sentenz jedenfalls versetzt Italiens Rechtswesen schnurstracks zurück in das Zeitalter Galileis, in eine Ära also, in der Richter zu Diensten der pfäffischen Oberhoheit Wissenschaftler zum Tode verurteilten, bloß weil deren bis zum heutigen Tage in der Substanz unwiderlegte Erkenntnisse den Dogmen irgendwelcher hanebüchener religiöser Mythen aus der Antike widersprachen.

Naturwissenschaftler als Wahrsager?

Kann man einen Seismologen verurteilen, weil er ein Erdbeben nicht vorausgesehen hat? Gegenfrage: Ist ein Naturwissenschaftler eine Art römischer Haruspex, der aus den Eingeweiden frisch gemeuchelten Federviehs das Schlachtenglück seines Feldherrn vorhersagen zu können behauptete?

Naturwissenschaftler als Wahrsager? Professeur Bassekou, grand medium voyant? Aber habilitiert, bitteschön! Welch primitiver Geist, ja welch geistige Fäulnis muss in einem Richterschädel walten, um eine solche Emanation vorsintflutlicher Finsternis im 21. Jahrhundert überhaupt wieder möglich machen zu können?

Vielleicht lässt sich ja am Billi-Urteil exemplarisch das Ausmaß der geistigen Korruption ermessen, die das Regnum des Kreuzfahrt-Spaßmachers Berlusconi in den Köpfen eines nicht unerheblichen Teils der italienischen Gesellschaft – und zwar quer durch alle sozialen Schichten – angerichtet hat.

Dieses Urteil lässt sich eigentlich nur aus einem rein populistischen Blickwinkel begreifen. Richter Billi scheint an Wirtshaustresen und in Internetforen gefeiert werden zu wollen. Das ist ihm mit seinem Spruch zweifelsohne gelungen.

Und in der Tat: Sollte man die Früchte der Naturwissenschaft sowie ihren allfälligen Sinn und Nutzen fortan nicht sinnvollerweise viel eher durch die Ökumene der Forentrottel als durch „Peer review“ validieren lassen?

Das würde dann ungefähr so aussehen: Ein Physiker berichtet mit nüchternem Stolz über die neuesten Teilchen-Erkenntnisse, aber die Forentrottel befinden, dass man für das zu diesem bescheuerten Behufe verbratene schöne Geld viel besser etliche hundert Meter Trottoirsplakken in ihrem jeweiligen Lotissement hätte erneuern können.

Denn Trottoirsplakken braucht ja bekanntlich jeder, Physik dagegen keine Sau.

Es hülfe in dem Falle alles nichts: Sorry Eggheads, Pech gehabt. Und seid lieber froh, dass ihr nicht auch noch wegen derlei skandalöser Geldverschwendung in den Klemmes müsst.