Wenn Europa, wenn die Europäische Union nicht die Chance verspielen will, als solche ernst genommen zu werden, muss sie sich auf bestimmte Dinge zurückbesinnen. Darauf z.B., dass sie eine Gemeinschaft ist. Ein Verbund von Nationalstaaten mit einer gemeinsamen, schmerzhaften Geschichte, einer gemeinsamen Kultur und gemeinsamen Wertvorstellungen, und einer gemeinsamen Währung für den Großteil der Mitgliedstaaten. Dass die Europäische Union rein formal noch keine politische Einigung erzielt hat, ist dabei zweitrangig. Diese fehlende politische Infrastruktur wurde bislang ersetzt von Gremien, in denen der Wille zur Gemeinschaft dominierte und die Zielsetzung im Allgemeinen für alle die gleiche war. Und die Zielsetzung ist auch in den aktuellen Zeiten einer Schuldenkrise bei allen die gleiche. Es geht in zweifacher Hinsicht um das Bild Europas, erstens um seinen Stellenwert in der Welt und zweitens um sein innereuropäisches Image. Wobei beide untrennbar miteinander verbunden sind.
Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu
Gelingt es nicht, nach außen hin das Bild eines handlungsfähigen, solidarischen und kreativen Europas zu vermitteln, wird auch das innere Europa in Mitleidenschaft gezogen. Und genau das macht die Frage, ob Griechenland in der Eurozone verbleiben soll oder nicht, zu einer eminent politischen Frage, die einer politischen Antwort bedarf. Bricht ein Stück des gemeinsamen Unterfangens Euro ab, dann ist Europas Nimbus fort, in der Welt, aber auch bei den eigenen Bürgern. Sie würden einen solchen Vertrauensbruch vielleicht unterschiedlich bewerten, aber die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft würde auf Jahre hinaus Schaden erleiden. Das wissen die Politiker.
Daher wird Griechenland in der Eurozone verbleiben, was erstaunlicherweise sogar dem Wunsch der griechischen Linken entspricht, wie deren Chef, Alexis Tsipras, gestern noch erläuterte.
Ein anderes Denken
Denn die Griechen wollen gar nicht aus der Eurozone austreten. Sie wollen nur nicht weiter von Sparmaßnahmen erstickt und ruiniert werden. Ebenso wenig wie die Spanier dies wollen, die Portugiesen, Italiener und andere. Mit diesem Begehr hatten sie bis vor kurzem wenig Chancen. Deutschland und Frankreich, die Merkozy-Allianz, diktierten das Geschehen, auf wenig europäische Art. Denn bislang war einer der Schlüssel des europäischen Erfolges die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten gleichberechtigt an einem gemeinsamen Tisch saßen und Entscheidungen trafen. Vor einer Dominanz der beiden Großen haben viele Politiker gewarnt. Eine dennoch sich angeeignete Dominanz und ein Pochen auf rigorosem Einhalten von Sparvorgaben gegenüber anderen, die übrigens umso erstaunlicher ist, als es eben Deutschland und Frankreich waren, die vor rund neun Jahren als Erste die Maastricht-Kriterien bewusst missachtet haben und damit den eigentlichen Präzedenzfall schufen, der spätere Laschheit überhaupt erst ermöglichte. Unter den Blicken der Kommission und anderen Institutionen.
Nun jedoch müssen Deutschland und Frankreich ihr Vorgehen neu absprechen. Der neue französische Präsident, François Hollande, will nicht einseitig auf Sparkurs setzen, auch wenn er diesen weiterverfolgen muss. Doch er wünscht sich auch Wachstumsimpulse, vor allen Dingen wünscht er sich ein anderes Denken. Ein Denken, das den Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt und das die Rolle der Finanzwelt neu sieht, die nicht mehr das Primat über die Politik haben soll. Und dieser neue Ansatz bringt neue Hoffnung in vielen Ländern. Merkel und Hollande werden Kompromisse finden. Merkel, weil sie ihr Land sonst zusehends isoliert in Europa, Hollande, weil er ein Umdenken bewirken will.
Daher wird am Mittwochabend (23.05.12) von einem Konsens über mögliche Wachstumsimpulse die Rede sein.
Es geht nicht anders.
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