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Es bleibt nicht viel Zeit

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Es ist die wirtschaftliche Gewalt ("violence économique"), die nach Einschätzung der Franzosen den Zusammenhalt der Gesellschaft am meisten bedroht.

Diese Gewalt, die als «die Krise» daherkommt, wirft unzählige Menschen ins soziale Abseits. Vor dem Absturz sind die unteren und mittleren Einkommensklassen am wenigsten gefeit.

Logo" class="infobox_img" />Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Wer seine Arbeit verliert, weil Schreibtischtäter offen oder anonym, um des höheren Profites willen, sanieren, fusionieren, delokalisieren oder schließen; wer, als junger Mensch, trotz Ausbildung und Diplom, vergebens um einen Job ansteht; wer im Alter sein Einkommen durch diese und jene kleine Grausamkeit der Regierung geschmälert sieht, lebt nicht mehr mit denen, die bislang Glück hatten, sondern neben ihnen.

Genau das will die wirtschaftliche Gewalt. Sie grassiert im Dschungelkampf: Jeder streite für sich, siehe, da sind die Winner so happy bei der Afterwork-Party, scher dich nicht um die Loser, die hatten eben Pech.

Im anscheinend so reichen Luxemburg klassiert die Statistik bereits Zehntausende in die Armutskategorie, Tendenz rasch wachsend. Die Jugendarbeitslosenrate liegt seit 2005 über 15 Prozent, und das gilt als tragbar, gemessen an den Zuständen bei den Nachbarn.

Grundsätzlich gehen Europas führende Politiker aller Schattierungen davon aus, dass die Dinge eben so sind, wie sie sind, und man nichts anderes tun kann als den Sozialstaat aufzugeben, schrittweise natürlich, weil es vorne und hinten an Geld fehlt.

Wo ist das Geld? Warum wird die Arbeit generell so hoch besteuert und das Kapital so niedrig? Weil das Kapital jetzt in ganz EU-Europa (und darüber hinaus) über die wirtschaftliche Gewalt verfügt, die ihm von der Politik eingeräumt wurde in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten. Dereinst werden die Historiker, rückblickend auf unsere Zeit, vom Powershift, vom Machtwechsel reden, weg von der Politik, hin zu den Finanzoligarchen in Gestalt von unsäglichen reichen Einzelpersonen und noch reicheren Fonds, Konzernen und Banken.

So nimmt denn auch nicht Wunder, dass die «neue» Luxemburger Regierung, genau wie die vorherige, das schaurige Lied von den schlechten Staatsfinanzen singt. Sie schwimmt im Mainstream, wie man heute sagt; sie erkennt Brüssel als die allein selig machende Autorität an.

Es brauchte gehörigen Druck seitens der Gewerkschaften, allen voran des OGBL, um sie von der Notwendigkeit einer Korrektur zu überzeugen. Aus diesem Erfolg, der vor wenigen Wochen nicht absehbar war, lässt sich schließen, dass mehr Druck für die Normalverdiener in diesem Land zu einem besseren Resultat geführt hätte.

Der wirtschaftlichen Gewalt, die sich der politischen implizit bemächtigt hat, muss man entgegentreten, und zwar vereint, vereint in starken Gewerkschaften, ideal in einer Gewerkschaft.

An sich ist diese Erkenntnis alt und erprobt. Sie war es, die dem Manchester-Kapitalismus im 19. Jahrhundert Fesseln anzulegen half.

In ihr wurzelt alle Macht des Volkes.