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Enttäuschend

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„Bescheiden“, so wurde die Radsportsaison aus Luxemburger Sicht vor zwei Wochen an dieser Stelle betitelt.

Das freilich hat sich bei den Ardennen-Klassikern geändert, immerhin gab es zwei Siege für das Luxemburger Team zu feiern. Spaß beiseite, Astana ist zwar hierzulande gemeldet, hat aber außer den gelb-schwarzen Nummernschildern auf seinem Fuhrpark nicht wirklich viel mit dem Großherzogtum zu tun.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Dagegen ist die Bilanz von RadioShack-Nissan-Trek inzwischen nicht mehr nur bescheiden, sondern schon eher unterirdisch. Zwei Siege stehen 2012 zu Buche, Fabian Cancellara gewann das Zeitfahren beim Tirreno-Adriatico und die Strade Bianche. Das ist noch weniger, als das Leopard-Trek-Team ein Jahr zuvor zu diesem Zeitpunkt aufweisen konnte, und das war bereits nicht allzu viel.

Dabei war auch RadioShack-Nissan mit großen Ambitionen in die Saison gestartet. „Wir sind vom Papier her wieder das stärkste Team“, sagte Frank Schleck bei der Teamvorstellung im Januar. Und der nun ins zweite Glied zurückversetzte Teamchef Kim Andersen bemerkte: „Wenn man das Beste von zwei Teams nimmt, muss es ja stärker sein.“ So weit, so gut, nur sind die Zitate noch nicht zu Ende. Bereits im nächsten Satz stellte Andersen fest: „Das muss aber nicht heißen, dass es auch automatisch besser läuft.“ Und Frank fügte hinzu: „Das beste Team der Welt bedeutet nicht unbedingt, die meisten Rennen zu gewinnen.“ Will heißen: Der Sport ist kein Selbstläufer, denn es sind viele Faktoren, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Das sollte bei aller Enttäuschung über ausbleibende Resultate nie vergessen werden.

Erwartungshaltung

Auf der anderen Seite ist die Enttäuschung natürlich verständlich. Erstens, weil die Radsportfans in den vergangenen Jahren von Schleck und Co. reichlich verwöhnt wurden, und zweitens, weil es im fusionierten Rennstall nicht an Selbstvertrauen fehlt. Hätte man also den Ball etwas flacher halten sollen, um so die Erwartungshaltung im Land nicht zu groß werden zu lassen?

Wohl kaum. In Anbetracht der eingesetzten Mittel ist es nicht möglich, etwas anderes als den Sieg bei so gut wie allen größeren Rennen anzupeilen. Der F91 Düdelingen kann ja auch schlecht vor der Saison eine Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb als Ziel ausgeben, wenn er das größte Budget aller Fußballvereine in Luxemburg hat und in den letzten zwölf Jahren neunmal Meister wurde. Das Spielchen würde der Sponsor bzw. der Mäzen wohl kaum mitmachen.

Während Flavio Becca mit dem resultatsmäßigen Abschneiden seiner Fußballer zufrieden sein kann, scheint sein Geduldsfaden in Sachen Radsport zumindest etwas angerissen zu sein. Die Zeit der Entschuldigungen sei nun vorbei, ließ er in Liège verlauten.

In der Tat, denn der nächste Höhepunkt der Schlecks ist die Tour de France.

Und dort wird der Druck auf die RadioShack-Mannschaft nicht nur aufgrund des enttäuschenden Saisonauftakts riesig sein: Teamchef Johan Bruyneel, der José Mourinho des Radsports (dixit Becca), ordnet alles der Tour de France unter. Was nicht sonderlich verwundert, konnte er als Teamchef doch bisher neunmal bei der „Grande Boucle“ triumphieren. Zudem reduziert sich der Radsport in den USA fast ausschließlich auf die Tour, was das Rennen für die beiden Hauptsponsoren des Teams (RadioShack und Nissan USA) besonders wichtig macht.

„Die Saison ist lang, es gibt viele Ziele und Rennen, die gewonnen werden können“, sagte Bruyneel im Januar. Aber nur eins, was in seinen Augen wirklich zählt. Und das hätte man mit einigen Siegen im Rücken sicher gelassener angehen können. Sieben bis acht Minuten Vorsprung aus den Bergetappen braucht Andy Schleck laut Bernard Hinault, um 2012 eine Siegchance bei der Tour zu haben. Eine ganze Menge, doch immerhin gibt es einen kleinen Trost: Astana dürfte im Rennen um den Toursieg nicht dazwischenfunken …