Neben diesen Krisen muss Deutschland aber auch dringend einige mittel- und langfristige Probleme bewältigen, die das Wachstum weiter dämpfen und die Inflation nach oben treiben könnten. Erstens sind die Produktivitätszuwächse nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 stark zurückgegangen und liegen seit der weltweiten Finanzkrise von 2008 auf niedrigem Niveau. Für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Preisstabilität ist eine höhere Produktivität jedoch unverzichtbar.
Zweitens beschleunigt sich der demografische Wandel in Deutschland, wodurch sich das Verhältnis zwischen Rentnern und der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts deutlich verschieben wird. Dies wird den Druck auf die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt erhöhen, sodass der schon heute problematische Fachkräftemangel die mittelfristigen Wachstumsaussichten der Wirtschaft einschränkt.
Auch wenn die für die Klimawende notwendigen Investitionen ausbleiben oder die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität zu viele zerstörerische Kräfte freisetzen, könnte das künftige Wirtschaftswachstum deutlich geringer ausfallen. Die Verteuerung fossiler Brennstoffe durch eine CO2-Bepreisung sind wichtige Anreize für die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese absichtlichen relativen Preisänderungen das gesamte Preisniveau hochtreiben.
Als letzter Punkt ist Deutschlands exportorientierte Wirtschaft stärker als andere von der Funktion und Krisenfestigkeit internationaler Lieferketten abhängig, die sich seit 2020 als fragil und störungsanfällig erwiesen haben. Wenn eine teilweise Umkehrung oder Neustrukturierung der weltweiten Handelsströme dazu führen, dass sich Deutschland nicht mehr wie früher auf die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verlassen kann, könnte sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen und die Inflation steigen.
Die Drei-Säulen-Strategie
Vor diesem Hintergrund braucht Deutschland eine effiziente, zukunftsorientierte und proaktive Finanzpolitik, die durch angebotsorientierte Maßnahmen ein nachhaltiges Wachstum anregt, ohne die Inflation weiter anzuheizen, und damit der aktuellen Gefahr einer Stagflation entgegenwirkt. Gleichzeitig muss diese Finanzpolitik die aktuellen globalen geostrategischen Herausforderungen berücksichtigen und den privaten Sektor stärken, den Deutschland für wirtschaftliche Modernisierung, Digitalisierung und die Klimawende so dringend braucht.
Diese Grundsätze spiegeln sich in der neuen finanzpolitischen Strategie wieder, die das deutsche Finanzministerium vor Kurzem vorgestellt hat. Die Strategie ruht auf drei Säulen und strebt eine sorgfältig austariertes Gleichgewicht an, das die Bekämpfung der aktuellen Krise ermöglicht, ohne den Preisdruck noch weiter zu erhöhen.
Die erste Säule ist eine kraftvolle und entschiedene Reaktion auf außergewöhnliche Ereignisse wie den aktuellen Krieg in der Ukraine. Zu diesem Zweck hat die Regierung bereits zwei Entlastungspakete für private Haushalte und Unternehmen beschlossen, die unter dem starken Anstieg der Energiepreise leiden. Dazu gehören Einmalzahlungen für besonders hilfsbedürftige Haushalte, aber auch besonders schwer getroffene Unternehmen werden entlastet. Damit sie den Inflationsdruck nicht zusätzlich erhöhen, sind diese Notfallmaßnahmen begrenzt, befristet und auf bestimmte Zielgruppen ausgelegt. So kommt die Hilfe für Unternehmen beispielsweise in Form einer Vorauszahlung, um sicherzustellen, dass stark belastete, jedoch ansonsten profitable Unternehmen die Krise überleben.
Die Regierung kann diese Hilfen leisten, weil sie vor der Pandemie einen Finanzpuffer aufgebaut hat. Dank einer umsichtigen Politik in guten Zeiten verfügt sie über genug finanzielle Reserven, um die Resilienz der Volkswirtschaft während der Corona-Pandemie und jetzt während des Kriegs in der Ukraine zu stärken. Mit der zweiten Säule dieser finanzpolitischen Strategie wollen wir die Ordnungs- und Produktivkräfte des Marktes freisetzen und so ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum generieren. Deshalb spielt die Angebotspolitik bei unseren Maßnahmen im Kampf gegen eine Stagflation eine entscheidende Rolle.
Die in der Strategie enthaltenen finanzpolitischen Maßnahmen sollen private Investitionen mobilisieren, ohne die Wirtschaft weiter in inflationäre Engpässe zu treiben. Dazu gehören auch attraktive Anreize für Unternehmen und hoch qualifizierte Arbeitnehmer sowie bessere Finanzierungsmöglichkeiten für vielversprechende, risikobereite Unternehmen.
Fiskalische Resilienz
Ganz grundsätzlich müssen wir Deutschland für Unternehmer attraktiver machen. Dazu brauchen wir innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, eine moderne Verwaltung und schnelle Gründungsverfahren. Die Geschwindigkeit, mit der Deutschland zurzeit LNG-Terminals baut und die Energiewende umsetzt, zeigt, dass das möglich ist. Jetzt müssen wir schnell ähnliche Initiativen in anderen Sektoren umsetzen.
Die dritte Säule unserer Strategie betont die fiskalische Resilienz und eine nachhaltige Schuldenpolitik. In diesem Sinne ist die Regierung entschlossen, schon nächstes Jahr die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse wieder einzuhalten. Ein Ende der expansiven Haushaltspolitik und die Rückkehr zu einem neutralen Kurs werden ebenfalls zum Kampf gegen die Inflation beitragen.
Die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt wird die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen erhöhen und das Vertrauen von Investoren und Öffentlichkeit in die Regierung stärken. Für die Finanzierung ihrer Modernisierungsprojekte braucht die Koalitionsregierung alle drei Säulen. In Zeiten einer erhöhten Inflationserwartung sind fiskalische Resilienz und ein höheres Produktivitätswachstum komplementäre Ziele. Beide werden dazu beitragen, die Inflation abzumildern und die deutsche Volkswirtschaft zu stärken.
* Christian Lindner ist deutscher Finanzminister. Lars Peter Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Leiter des Walter-Eucken-Instituts.
Copyright: Project Syndicate, 2022, www.project-syndicate.org.
Auch Lindner kann nicht mehr Geld verteilen als er hat. Und dass Deutschland jetzt in dieser desolaten Situation ist, ist nicht Lindner’s Schuld, sondern die der vorherigen Regierungen und die der Deutschen selbst, denn die Mehrheit davon hat ja diese Regierungen gewählt.
Was für eine Strategie soll dieser überhebliche Lindner
denn für das Volk zustande bringen,nur Privilegien für sich
und seine Genossen,sowie alle Grosskonzerne usw.
der kleine noch schaffende Bürger bleibt sowieso auf der Strecke,
All Kommentare sind überflüssig.