Dass es den Staat Luxemburg überhaupt gibt und er flächenmäßig so klein ist, viele Hundert Mal kleiner als Frankreich oder Deutschland, verdanken wir den europäischen Großmächten. Sie gründeten ihn im April 1839 in seinen heutigen Grenzen, ohne Wissen und Einverständnis der Bevölkerung.
Alvin Sold asold@tageblatt.lu
Et maintenant, débrouillez-vous, hieß es damals. Die Großen hatten jahrelang um ein subtiles Gleichgewicht gerungen; ihre Luxemburg-Idee war Bestandteil einer komplexen Konstruktion, die den Frieden in Kern-Europa für einige Zeit sichern sollte.
Wovon Luxemburg dann und denn leben sollte, war kein Thema. Vorerst wohl von seiner Festung und dessen gewaltiger deutsch-preußischer Garnison, deren wirtschaftliche Macht mit jener einer Industrie vergleichbar war. Eigentlich war Luxemburg, als Staat, zu klein für diesen militärischen Mega-Betrieb, über dessen Entwicklung Berlin entschied.
Als 1867 ein Krieg zwischen Napoleon III. und Bismarck drohte, weil der Franzose Luxemburg beim holländischen König (der sich als Eigentümer betrachtete) kaufen wollte, bestätigten die Großmächte „unsere“ Unabhängigkeit, verfügten aber den Abzug der Preußen und die Schleifung der Festung.
Ohne den Glücksfall, welcher die bald danach boomende Erz-, Eisen- und Stahlindustrie war, wäre Luxemburg sehr schnell bankrott gewesen. Die Ausbeutung der Gruben und der Aufbau der riesigen Hüttenwerke setzten ausländisches Kapital und Fachwissen voraus: Somit war diese zweite Existenzgrundlage des arbiträr, aus politischem Kalkül geschaffenen Staates eine, welche die Demografie und die Finanzen Luxemburgs überforderte. Das Land zog Investoren und Einwanderer an, stieg zu einem der bedeutendsten Stahlproduzenten der Welt auf und brachte es zum Wohlstand, in geordneten sozialen Verhältnissen.
In der Folge (1914 und 1940) verleibte sich der deutsche Gigant Luxemburg zweimal ein, was wegen der Kleinheit natürlich einfach war und die Luxemburger Regierungen nach 1945 dazu bewegte, Sicherheit in politischen und wirtschaftlichen Organisationen und Bündnissen zu suchen. Als CECA- und EWG-Gründungsmitglied verpflichteten wir uns in den wohl umfassendsten Verträgen der Neuzeit zur Observanz aller Verordnungen und Regeln. Bis auf den heutigen Tag sind Luxemburg keine gravierenden Verstöße gegen internationales und europäisches Recht nachzuweisen.
Auch die dritte (nach der Festung und dem Stahl) Luxemburger Existenzgrundlage, der jetzige Finanzplatz, kann nicht anders sein als irgendwie zu groß für das kleine Land, muss er doch seine Leistungen und Dienste exportieren, wie Deutschland die Autos seiner für Deutschland zu großen Automobilindustrie exportieren muss.
Fassen wir obige Gedanken mit ihren logischen Konsequenzen zusammen.
1. Kleinheit darf kein politisches Handicap in einem demokratischen Staatenbund wie der EU sein.
2. Die Großen in diesem Staatenbund verdienen nur dann Respekt, wenn sie die Kleinen respektieren und deren vitale Interessen wahrnehmen.
3. EU-Sprecher (wie der Eurogruppen-Chef) und Spitzenpolitiker aus Deutschland und Frankreich (insbesondere die!) müssen zum ursprünglichen Europa-Gedanken zurückfinden, der sich aus den Lehren der blutigen Geschichte ergibt: Es geht um die gemeinsame Zukunft, nicht um nationalstaatliche Heute-Interessen!
Man sollte es anerkennen
Nebenbei sei darauf verwiesen, dass das für seinen großen Finanzplatz zu kleine Luxemburg vornehmlich dank dieses Finanzplatzes 155.000 Grenzgänger aus Frankreich, Deutschland und Belgien beschäftigt. Diese kommen mit Gehältern nach Hause, die der Kaufkraft von mindestens 310.000 bei den Nachbarn üblichen Löhnen entsprechen.
Am Erfolg unserer dritten Industrie seit 1839, der gegenwärtigen, haben Frankreich, Belgien und Deutschland massiv Anteil. Man sollte es anerkennen.
Lieber Juncker, Europamüdigkeit macht sich hierzulande breit. Wie könnte es anders sein?
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