So bot er Einblicke in den Finanzsektor, die weit entfernt vom Klischee des smarten, gut verdienenden Bankers im Nadelstreifen sind. In vielen Instituten herrscht Murks und Stress: Angestellte fürchten um ihre Jobs, Rechtsanwälte der Direktionen versuchen mit allen Mitteln das Arbeitsrecht zu umgehen. Der Finanzplatz steckt offensichtlich in einer tiefen Krise, die zwar einerseits wirtschaftlicher Natur ist, andererseits aber mit einem Selbstfindungsprozess zu tun hat.
Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu
Nachdem das Bankgeheimnis nicht mehr gehalten werden konnte, der Platz nicht mehr als Versteck für das Geld von Steuerflüchtigen herhalten kann, sucht die Branche verzweifelt nach alternativen Geschäftsmodellen.
Zahlreiche Institute zogen sich bereits ganz zurück oder bauen massiv Personal ab. Jüngste Beispiele sind die Swedbank, die Van Lanschot Bankiers, die HSH Nordbank, die Lloyds TSB Bank (die alle im laufenden Jahr Personal abgebaut haben). Von der Commerzbank, von Sal. Oppenheim, von der LB Berlin, von der UBS und nicht zuletzt von BIL und KBL kommen weitere schlechte Nachrichten für den Arbeitsmarkt.
Gewinne durch Personalabbau
Dabei sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so schlecht nicht. Eine Studie von UNI Europe, die 14 europäische Banken untersuchte, zeigt Gewinne in Höhe von 4 bis 40 Milliarden Dollar im Jahr 2011. Die gleichen Unternehmen, die drei Millionen Menschen beschäftigen, entließen in dem Zeitraum über 121.000 Angestellte.
In Luxemburg ging der Umsatz der Institute zwar zurück, die Netto-Resultate aus dem letzten Jahr beliefen sich aber laut CSSF auf 2.828 Millionen Euro, was jenen vor der Krise entspricht (die Rekordjahre 2006 und 2007, als die Spekulation auf ihrem Höhepunkt war, ausgeklammert). Seit 2008 wurden 1.800 Stellen am Finanzplatz Luxemburg abgebaut, womit klar ist, dass die Institute sich auf dem Rücken ihres Personals sanieren.
Kein Wunder also, dass die Gewerkschafter zurzeit ihre Anstrengungen auf das Erhalten von Jobs („maintien dans l’emploi“) und auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen konzentrieren. Ob dies gelingen wird, hängt nicht vom Sektor allein ab. Das nationale Arbeitsrecht stammt aus einer Zeit, als die sozialen Konflikte mehr oder weniger beschaulich über die Bühne gingen. Der neuen Rücksichtslosigkeit, ja Brutalität der Bosse ist sie nicht angepasst.
Und so ist die Nachricht von der anstehenden Reform des Delegationsgesetzes im Sinne von mehr Mitbestimmung, die Beschäftigungsminister Nicolas Schmit (der im Übrigen während des Syndikatstags äußerst kritisch mit der Regierung umging, der er angehört) noch in diesem Jahr auf den Instanzenweg schicken will, auch eine gute Nachricht für die Bankangestellten.
Starke, mit mehr Befugnissen ausgestattete Personalvertretungen könnten das innerbetriebliche Klima zweifellos stärker positiv beeinflussen als die zahlreichen Konferenzen zu Sicherheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.
Vergessene emanzipatorische Sozialmodelle könnten zumindest ansatzweise eine Renaissance erleben, die Dynamik der immer stärker ausbeuterisch handelnden Unternehmen gebrochen werden …
Und dies nicht nur zum Nutzen der Angestellten des Finanzsektors. Bleibt zu hoffen, dass sich CSV und LSAP diesmal nicht vom zu erwartenden Geschrei der Unternehmerverbände beeindrucken lassen und im Sinne der arbeitenden Menschen reformieren.
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