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Ein Land fährt an die Wand

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Es ist schon deprimierend, mit ansehen zu müssen, wie ein europäisches Land schnurstracks an die Wand gefahren wird: Die Rede geht hier von Bosnien.

Fast 19 Jahre nach dem furchtbaren Bürgerkrieg, in dem sich Serben, Kroaten und (moslemische) Bosniaken gegenseitig an die Gurgel gingen, ist von einem Neubeginn nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Wirtschaft liegt danieder, und die wenigsten ausländischen Investoren sind so verwegen, ihr Geld in einem Land zu versenken, das von Korruption und Ineffizienz gelähmt ist.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Dass Bosniens Zukunft sich äußerst düster ausnimmt, führt dazu, dass gerade auch viele junge Menschen danach streben, ihrer Heimat den Rücken zu kehren und in die Emigration zu gehen: Dies ist gerade bei Studenten der Fall, die nach einer Ausbildung im Ausland zu Hause mit großer Wahrscheinlichkeit die Arbeitslosigkeit erwartet. Was wiederum den langfristigen Chancen auf einen Aufschwung alles andere als förderlich ist.

Bosnien gehört zu jenen Ländern, deren Politiker sich mitnichten in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Vielmehr hängt die Politik dem Volk wie ein Mühlstein um den Hals. Zu viele Lokalfürsten leben wie die Maden im Speck, ohne sich groß um die wachsende Not der Bevölkerung zu kümmern.

Mit ihrem Elend ziemlich allein

Dies konnte nicht ewig gut gehen, und so hat sich die Frustration der Menschen in den vergangenen zwei Wochen vor allem in der bosnisch-kroatischen Föderation in einer Orgie der blinden Gewalt Bahn gebrochen. Wobei diese Art des Dampfablassens leider alles andere als hilfreich ist: Auch wenn einen der Staat im Stich lässt, wird es einem nicht davon besser gehen, dass man die bestehende Infrastruktur, so kümmerlich und ineffizient sie auch sein mag, zu Klump schlägt.

Angesichts der Tatsache, dass ein Teil der Staatsarchive, die zwei Weltkriege und den Bürgerkrieg überlebt hatten, nunmehr in Flammen aufgegangen und unwiederbringlich verloren sind, bekommt man den Eindruck, dass man es hier mit einem Staat zu tun hat, der von einem guten Teil seiner Bürger bereits aufgegeben worden ist.

Besonders traurig ist aber, dass eine EU-Mitgliedschaft für Bosnien in immer weitere Ferne rückt. Wobei das Beispiel der kroatischen Nachbarn aber auch zeigt, dass es nach einem Beitritt deswegen noch längst nicht automatisch Manna vom Himmel zu regnen beginnt.

Vor 100 Jahren wurde die Bosnien-Frage zum Zünder des Ersten Weltkriegs. Damals waren die Großmächte bereit, für dieses Balkan-Territorium den halben Kontinent im Feuer versinken zu lassen. Heute würde wohl kaum noch jemand einen internationalen Krieg wegen Bosnien vom Zaun brechen wollen. Dafür interessiert das Land die internationale Gemeinschaft nur noch am Rande. Die Bosnier sind mit ihrem Elend ziemlich allein.