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Eher Aus- denn Rückblick

Eher Aus- denn Rückblick

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Am Freitag war der Tag der Rückblicke. Die hundert ersten Tage der Dreierkoalition, die ohne Christlich-Soziale das Land in die Moderne lenken möchte, wurden je nach Standpunkt der Betrachter eher positiv oder eher negativ bewertet.

Einig waren sich die meisten Analysten denn aber darin, dass es noch recht früh sei, dem rot-blau-grünen Experiment Noten zu geben.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Um im Schuljargon zu bleiben: Einige Kompetenzen lassen sich erahnen, bei anderen bleibt offen, ob die neuen Minister sie haben.

So zum Beispiel die sozialpolitische Kompetenz: Zwar ist der junge Staatsminister nun doch bereit, noch vor der Erklärung zur Lage der Nation ein ausführliches Gespräch mit der größten außerparlamentarischen Oppositionskraft, dem OGBL, zu führen. Ob hierbei klarer wird, wie sich die ominöse soziale Selektivität in Gesetzen und Reglementen ausdrücken wird, bleibt offen bis fraglich.

Immerhin besteht der Wille zum Dialog, was an sich schon eine gute Nachricht ist. Dies insbesondere angesichts der kaum veränderten Haltung weiter Teile des Patronats, die sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, Krisengewinnler zu sein – sprich die Wirtschaftskrise zu ungeniertem Sozialabbau zu nutzen.

Die Betriebe, die seit Jahren keine Lohnerhöhungen oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gewährten (die Krise ist halt schuld), sind mittlerweile Legion, in manchen Sektoren, wie etwa bei den Gebäudereinigern, ist die Lage so verfahren, dass Streiks eher wahrscheinlich denn abwendbar scheinen.

„TVA-Katze“ aus dem Sack

Klarer wird Luxemburg die politische Lage voraussichtlich erst nach dem 2. April einschätzen können. Dann wird die „TVA-Katze“ aus dem Sack gelassen, das Land wird erfahren, ob es noch in diesem Jahr zu einer Teuerung praktisch aller Produkte kommen wird – was dann die kleinen Einkommen weiter von den Reichen entfernen wird.

Bislang ist in Sachen Sozialpolitik eigentlich nur klar, dass ausgerechnet bei den Studentenbörsen gespart werden wird und die Mutterrente wohl kaum eine Zukunft haben wird.

Dass die öffentlichen Investitionen zeitlich gestreckt werden, dass die Autobahnen nachts dunkler werden und dass die Philharmoniker nicht nach China dürfen, wird die meisten wohl eher kalt lassen.

Sollte die neue Regierung allerdings weiter in die falsche Richtung an der Selektivschraube drehen, wird es schnell vorbei sein mit den Vorschusslorbeeren, die sich Bettel, Schneider, Bausch und Co. durch ihre gesellschaftspolitischen Reformvorhaben verdienten, die wohlgemerkt alle überfällig sind.

Bis dahin wird wohl weiter abgewartet werden müssen: Erklärung zur Lage der Nation und Haushaltsentwurf 2015 sind die anstehenden Prüfsteine für Rot-Blau-Grün, und die liegen in der Zukunft, nicht in der hunderttägigen Eingewöhnungsphase der Regierung.