Wer keinen festen Job mehr hat, sondern seine Haut alle paar Wochen erneut zu Markte tragen muss, der gewinnt in Wahrheit, so die Neoliberalen, die wunderschöne Freiheit, immer wieder selbst über sein eigenes Schicksal verfügen zu dürfen.
Wer sich nicht auf eine staatliche Rente freuen darf, sondern sein Geld irgendwelchen Finanzklempnern anvertrauen muss, damit die ihm ein „Nestegg“ fürs Alter basteln, auch der wird in neoliberaler Sicht aus der Knechtschaft staatlicher Behörden-Godzillas erlöst und darf sich der beneidenswerten Freiheit erfreuen, selber zu bestimmen, welcher Raffzahn ihn künftighin nach Strich und Faden ausnehmen und abledern darf.
Der Verlust von sozialen Rechten wird also von den Neoliberalen systematisch als ein Gewinn an Freiheit dargestellt. Die Herren des Geldes offenbaren damit ein Maß an Zynismus, wie man es bis dato nur aus „1984“ kannte: Die erneute Unterwerfung der Arbeitenden unter das Kapital wird diesen in orwellscher Umkehrung als Befreiung nebst Verheißung ultimativer Coolness verkauft.
Und Millionen von ihnen – zu brunzköpfigen Konsumtrotteln abgerichtet – glauben ihnen das auch noch bereitwillig, anstatt sich mal für Politik zu interessieren und sich solidarisch für die Verteidigung ihrer Rechte zu engagieren. Zur Disziplinierung der Arbeitenden wird, wie Zizek unterstreicht, deren zunehmende Verschuldung ins Werk gesetzt: Was früher ein Recht war – Bildung, Rente, Gesundheit, Wohnen – müssen die Arbeitnehmer zusehends auf Pump finanzieren. Und wer nachts vom Gerichtsvollzieher träumt, der geht morgens lieber schön artig roboten, anstatt im aufrührerischen Verein mit seinen Brüdern zur Sonne, zur Freiheit zu streben.
Das zynische Hijacking des Freiheitsbegriffes durch marktliberale Ultras illustrieren Fälle wie der Taxidienst Uber oder der Lieferdienst Postmates besonders schön. Ade Krankenversicherung und Einkommensgarantie, ciao Rentenversicherung und Arbeitszeitregelung, äddi Elternurlaub (den es in Papua-Neuguinea … und den USA ohnehin nicht gibt): Dafür soll sich aber in der schönen neuen Dienstleistungswelt jeder scheinselbstständig Leibeigene als sein eigener CEO, CFO und COO fühlen dürfen.
Postmates-Chef Lehmann verklärte im Spiegel die soziale Prekarität, die Leute wie er zur Norm machen wollen, zu einem „sehr fairen Modell für Menschen, die selbst entscheiden wollen, wann und wie viel sie arbeiten wollen“.
Gegen die Ausbreitung solch kriminellen Humbugs hilft nur organisierter Widerstand. Denn bekanntlich wählen nur die dümmsten Kälber ihren Metzger selber.
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