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Die neue Ordnung

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Vor einer Woche verließ ein dänischer Frachter Syrien mit Damaskus’ letzten registrierten Chemiewaffen. Der Iran soll der Organisation für das Verbot chemischer Waffen dabei geholfen haben.

Gleichzeitig wurden am Dienstag die Atomgespräche zwischen den Iranern und der internationalen Gemeinschaft weitergeführt, während im Irak die erste Parlamentssitzung im Chaos endete – jenem vom ISIS-Terror heimgesuchten Land, das mehr denn je von Teheran abhängig ist und zu einem Spielball der Machtpolitik schiitischer und sunnitischer Regierungen geworden ist.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Wozu diese hochexplosive geostrategische Lage führt, zeigen die zum Teil absurd anmutenden Koalitionsmuster im Nahen und Mittleren Osten: Im Irak entsteht eine militärisch-strategische Zweckgemeinschaft zwischen den USA, dem Iran – und Syrien. Jenem Staat, dessen Oberhaupt von der Iran-hörigen Hisbollah politisch am Leben erhalten wird und sich mehr denn je auf die Unterstützung der Mullahs verlassen kann. Dem Pufferstaat Libanon, der immer noch auf der Suche nach einem Präsidenten ist, sei Dank. Und der Unfähigkeit der kriegsmüden Schutzmacht Amerika, den von Russland gestützten Assad im Zaum zu halten. Gleichzeitig konnte Washington seinen saudischen Vasallen und die Türkei nicht von der Unterstützung extremistischer Kräfte abhalten, die aufstrebende schiitische Player wie den Iran oder den Irak schwächen wollen. So kam es zur jetzigen Situation: Während alle Welt fürchtet, dass die ISIS Bagdad einnehmen könnte, hat sich Moskau wieder einmal als Retter in der Not inszeniert.

Das Tandem Rohani-Zarif

Der Verkauf alter gebrauchter russischer Jets an den Irak wurde im Vergleich zur Entsendung amerikanischer Militärberater als die effizientere Hilfsleistung wahrgenommen. Auch die angekündigte zusätzliche Präsenz von US-Soldaten ändert daran nichts. Sie erfolgte erst nach Putins Vorpreschen. Demnach bestimmt die alte amerikanisch-russische Rivalität ähnlich wie in Syrien die Geschehnisse im Irak. Beide Konflikte sind nicht zu trennen, sondern eng miteinander verwoben.

Aus dieser Konkurrenzsituation und dem daran gekoppelten Machtvakuum entsteht wiederum eine neue Ordnung im Nahen Osten: Der Iran ist dabei, sich von der regionalen zur internationalen Schlüsselfigur zu entwickeln. In der mehr als alles entscheidenden Phase der langjährigen Atomverhandlungen, die am 20. Juli einen Abschluss erreichen könnten, nutzt Teheran diese historisch einmalige Gelegenheit, um sich aus der wirtschaftlichen Isolation zu befreien und Kapital aus dem syrisch-irakischen Brandherd zu schlagen. Das Vertrauen Russlands genießen bereits Präsident Hassan Rohani und sein Außenminister Mohammad Javad Zarif. Die USA sehen sich ihrerseits zunehmend im Nahen Osten isoliert. Zudem fehlt Präsident Obama die öffentliche Unterstützung, um sich auf weitere haarsträubende Militärabenteuer einzulassen.

Das pragmatisch agierende Tandem Rohani-Zarif folgt kühlen Berechnungen. Wie die meisten Staaten sieht sich Teheran von den ISIS-Terroristen in seinen Interessen bedroht und ist deshalb zur Kooperation bereit. Gleichzeitig nutzt man den Trumpf al-Maliki, um sich bei den Atomgesprächen Vorteile zu verschaffen. Im Gegensatz zu den naiven Behauptungen, Teheran unterstütze den schiitischen Regierungschef bedingungslos, schielt der Iran bereits auf Ausweichmöglichkeiten. Die persischen Realpolitiker wissen genau, dass al-Maliki ersetzbar ist. Nach dem amerikanischen Abzug aus dem Irak hatte man sich ein dichtes Kontaktnetzwerk in Iraks Institutionen aufgebaut. Nichtsdestotrotz halten die Iraner (noch) an dem international kritisierten Politiker fest. Wenn die USA al-Malikis Kopf rollen sehen wollen, müssen sie sich auf einen Deal mit den aufstrebenden Persern einlassen. Der erfolgreiche Abschluss der Atomverhandlungen könnte die Grundlage einer neuen regionalen, iranischen Ordnung sein.