Der durch die Existenz des Internets erlangte Raum zur freien Meinungsäußerung scheint einerseits in Gefahr, andererseits aber auch selber problematisch zu sein.
Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu
Es herrscht darüber hinaus bereits schon Krieg um die Kontrolle, also auch um den öffentlichen Zugang zum Web. Zwischen den Regierungen, die durch Spionage gegen ausländische Staaten oder Unternehmen ein neues Schlachtfeld gefunden haben. Aber auch zwischen den Konzernen.
Dieser Kriegszustand hat bereits seinen Einfluss auf die Meinungsfreiheit. Um nur dieses Beispiel zu nennen: Spätestens seit Facebook wurde aus den Meinungen der Einzelnen – und seien sie noch so nichtig – ein Riesengeschäft. Die Frage nach der Weiterverwendung dieser Daten durch einen Konzern lässt aber auch die Furcht aufkommen, dass dies ein ideales Instrument ist, um die Meinungen zu kontrollieren.
Der Einzelne hat de facto ein Interesse daran, zu wissen, was mit seiner Meinung gemacht wird und wie und unter welcher Form er sie im Web ausdrücken kann.
Gerade der Kampf um die Freiheit im Internet stellt unsere europäischen Gesellschaften allerdings auch vor eine Herausforderung in Bezug auf die Art und Weise, wie wir die Meinungsfreiheit verstehen. Während im angelsächsisch-skandinavischen Raum der Freiheitsbegriff sehr breit ausgelegt wird, tun sich unsere westeuropäischen Gesellschaften schwer damit. Das hat einerseits historische Gründe, andererseits hängt es aber auch mit unserem Verständnis zusammen, was die Freiheit zulassen kann. Welche Grenzen sie sich setzt. Oder anders gefragt, welche Antwort wir auf die Frage geben: Wie zivilisiert können wir miteinander umgehen?
Diese Frage wurde in Westeuropa meistens damit beantwortet, dass man der freien Meinungsäußerung zwar einen sehr großen Raum gab, aber letztlich dennoch – durch den Staat und die Justiz – Grenzen setzte.
Die Juristen und die Politik sind im Großen und Ganzen in den letzten Jahren dabei gewesen, eine klassische Antwort darauf zu geben. Indem sie das Web mit der zivilen Gesellschaft gleichstellen, fordern sie de facto auch die gleiche Rechtsanwendung ein. Dieser Standpunkt hat allerdings einen gewichtigen Haken: Momentan sieht es nicht so aus, dass unsere Gesellschaften das Internet kontrollieren könnten – es scheint unmöglich, im Web Grenzen zu ziehen.
Wer bestimmt über die Freiheit?
Ironischerweise machte gerade die Luxemburger Polizei in den letzten Wochen in diesem Punkt so einige Erfahrungen, als sie ihren Facebook-Auftritt lancierte. Manwar in den ersten Tagen wohl nicht darauf gefasst, Kommentare auf der eigenen Seite zu finden, die vom Aufruf zur Gewalt gegen mutmaßliche Kriminelle bis zur Aufforderung zum Regimewechsel gingen. Die Ordnungshüter als Hort der Unordnung. So war das sicherlich nicht gewollt.
In puncto Umgang miteinander auf dem Web herrscht (nicht nur) hierzulande demnach ein großer Nachhol-, um nicht zu sagen Bildungsbedarf. Eine Tatsache, die der Staat und weite Teile der Gesellschaft verschlafen haben.
Die Diskussion aber, wer bestimmen wird, was im Web gesagt werden darf, wird auch überhaupt erst einmal geführt werden müssen. Und zwar ernsthaft. Der Ausgang scheint offen.
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