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Die freie Wahl

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Bereits mehrmals beschäftigten sich verschiedene Autoren an dieser Stelle mit der Reform des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch.

Dies ist kein Zufall: Die Problematik ist eine hochsensible und spätestens seit den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein Gradmesser für die Fortschrittlichkeit einer Gesellschaft bzw. negativ ausgedrückt für deren Rückständigkeit.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

In Luxemburg gilt bislang die zweite Aussage. Schwangerschaftsabbrüche gab und gibt es zwar – laut Schätzungen 1.500 bis 2.000 pro Jahr. Diese bedeuten für die betroffenen Frauen allerdings neben der ohnehin nie leicht zu treffenden Entscheidung einen wenig würdigen und dazu aufreibenden Gang durch institutionelle und medizinische Instanzen.

Die Reform, an der die CSV-LSAP-Koalition seit mittlerweile mehreren Jahren herumschustert, ist also notwendig. Wie diese Notwendigkeit schlussendlich konkret gesetzlich umgesetzt werden soll, ist inzwischen auch einigermaßen klar und äußerst unbefriedigend.

Dabei könnte alles recht einfach sein. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper müsste im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit sein. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit einer ausführlichen Beratung, wenn diese gewünscht wird und nur, wenn diese gewünscht wird. Schließlich scheint ebenso selbstverständlich, dass das entsprechende Gesetz nichts im Strafrecht zu suchen hat.

Statt dem Beispiel von Staaten zu folgen, die entsprechende Lösungen bereits seit Jahrzehnten mit Erfolg umgesetzt haben, stritten die Koalitionäre über Details, die an der Grundproblematik vorbeigehen. Die CSV verlangte eine zweite obligatorische Beratung für die Frauen, die den Weg des Abbruchs gehen wollen; eine Bevormundung, die ungenügende Reife zur eigenständigen Entscheidung unterstellt.

Peinlicher Kuhhandel

Es folgte ein Tauziehen zwischen den beiden regierenden Parteien, bei dem Kuhhändel ins Auge gefasst wurden, die verdeutlichen, wie weit CSV und LSAP gesellschaftspolitisch voneinander entfernt sind und wie wenig der sich gern fortschrittlich gebende kleinere Partner an Durchsetzungsvermögen investiert. Die zweite Beratung soll – so ein möglicher Kompromiss – zusammen mit der ersten geschehen; die zweite Beratung sollte zwar weiter im Gesetz verankert sein, aber keinerlei Kontrolle unterliegen … Das Herumgeeiere entbehrt nicht einer gewissen Peinlichkeit, die, wäre das Thema nicht so ernst, schon fast eine humoristische Note hätte.

Am Wochenende mischte sich zu allem Überfluss die katholische Kirche in die Diskussion ein. Die rein von Männern geführte Organisation brüskierte mit einem Hirtenbrief, der so weit von den Realitäten einer modernen Gesellschaft entfernt ist, dass wohl nur der rechte Flügel der Christlichsozialen (und einige ADR-Politiker) das Schreiben ernst nahm. Die Reaktionen aller anderen politischen Kräfte waren ebenso klar wie ablehnend.

Bleibt die Tatsache, dass den Parlamentariern demnächst der oben beschriebene faule Kompromiss in der einen oder anderen Form präsentiert wird.

Damit wird die Gelegenheit verpasst werden, mit der Hypokrisie der Vergangenheit aufzuräumen und mit einer modernen Gesetzgebung den Frauen das zu geben, was sie ohnehin haben: ihr Recht, selbst und frei zu entscheiden, wie sie mit der Notlage einer ungewollten Schwangerschaft umgehen wollen.