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Die eigentlichen Verlierer

Die eigentlichen Verlierer

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Sicher. Der von US-Präsident Barack Obama angekündigte Militärschlag gegen das Assad-Regime in Syrien nach dem Chemiewaffeneinsatz am 21. August mit rund 1.400 Toten, darunter Hunderte Kinder, hat Wirkung gezeigt.

Unverzüglich setzte sich das diplomatische Karussell wieder in Bewegung, angetrieben von Russland, das das syrische Regime vor einem solchen Schlag bewahren wollte, auch weil es einem Einsatz des amerikanischen Militärs eigentlich sehr wenig entgegenzusetzen hat, will es einen Flächenbrand verhindern, vor dem es immer gewarnt hat. Und so wurde verhandelt, hauptsächlich zwischen Russland und den USA, den beiden Ländern mit den größten Chemiewaffen-Arsenalen weltweit.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Da ein Karussell jedoch nun einmal die Eigenschaft hat, sich im Kreise zu drehen, ist das Ergebnis mehr als ernüchternd. Der Berg gebar eine Maus.

Wohl hat Assad eingewilligt, sein Chemiewaffen-Arsenal unter internationale Kontrolle zu stellen und vernichten zu lassen, bis irgendwann im nächsten Jahr. Wobei die im Raum stehende Frage, warum weder Russland noch Syrien verlangt haben, dass die Oppositionskräfte dies auch tun, eigentlich viel darüber aussagen könnte, wer für das Massaker vom 21. August wirklich verantwortlich ist. Vor allen Dingen jedoch haben die USA ihren Militärschlag vorerst auf Eis gelegt. Und die Russen blockieren zurzeit wie gehabt einmal mehr jedes Resolutionsvorhaben im UN-Sicherheitsrat, das auch militärische Optionen beinhaltet, für den Fall, dass Assad seine eingegangenen Verpflichtungen nicht einhält.

Mit anderen Worten: alles beim Alten, auch wenn die USA ihre militärische Drohung immer noch im Raum stehen lassen.

Neuer Versuch in New York

Fast alles beim Alten, muss man sagen. Denn ein Akteur war auf dem diplomatischen Parkett nicht zugegen.

Für die immer noch zersplitterte syrische Opposition waren die Chemiewaffen-Verhandlungen ein Desaster. Jeder redete mit und auch mit jedem, außer die direkt Betroffenen. Während Assad durch russisches taktisches Geschick fast schon wieder zu einer Art internationalem Gesprächspartner mutierte, wurde über die nationale Opposition kaum geredet.

Sie war von Anfang an gegen Verhandlungen, weil für sie klar schien, dass das Regime in Syrien eh nur auf Zeit spielt. Die Ergebnisse und die vor Ort geschaffenen Tatsachen geben ihr recht. Denn während der Verhandlungsrunden ging das Gemetzel vor Ort weiter. 110.000 Menschen sind in Syrien seit dem Beginn des Aufstandes im März 2011 getötet worden. Ein friedlicher Aufstand, wie man in Erinnerung rufen sollte. Sieben Millionen Menschen brauchen inzwischen laut UN dringende Hilfe, zwei Millionen sind geflohen, vier Millionen im Lande selber als Flüchtlinge unterwegs. 37% der Krankenhäuser in Syrien wurden zerstört, 20% schwer beschädigt (wer bombardiert in Syrien?), 15.000 Ärzte mussten fliehen, andere wurden verhaftet. Die Lage wird immer dramatischer.

Man kann verstehen, warum die nationale Opposition Verhandlungen nur dann aufnehmen will, wenn das erklärte Ziel solcher Gespräche der Abgang von Assad ist.

Ende September soll nun unter französischer Führung in New York ein neuer Versuch unternommen werden, die Opposition zu einen. Ein Hoffnungsschimmer für jene, die vor zweieinhalb Jahren aufstanden, um nach bürgerlichen Freiheiten und einer neuen gesellschaftlichen Orientierung zu streben, unbewaffnet, voller Hoffnungen und Zukunftsvisionen. Jene, die von einem machtbesessenen Regime mit brutaler, tödlicher Waffengewalt in einen Bürgerkrieg getrieben wurden. Und von ihren „Freunden“ in entscheidenden Momenten im Stich gelassen wurden. Säbelrasseln hin, Drohungen her.

Sie und ihre Vertreter in der nationalen syrischen Opposition sind nach dem scheinbaren „Verhandlungssieg“ über Assad die eigentlichen Verlierer.