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Die andere Tragödie

Die andere Tragödie
(Tageblatt/Alain Rischard)

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Am kommenden Samstag jährt sich der Untergang der Titanic zum hundertsten Male. Und nach wie vor fasziniert dieses tragische Ereignis die Menschen.

Wenn bei einem Schiffsuntergang, einem Flugzeugcrash oder einer Zugkollision etliche Hundert Menschen auf einen Schlag ums Leben kommen, bleibt ein solches Geschehnis wochenlang in den Schlagzeilen.
Dabei sind sowohl der Schiffs-, der Bahn- als auch der Flugverkehr relativ sichere Transportmodi … weitaus sicherer als der Straßenverkehr.

Logo" class="infobox_img" />Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Weltweit dürften im Straßenverkehr jährlich mehr als eine Million Menschen ums Leben kommen. Innerhalb der EU sind, wie man beim European Transport Safety Council (www.etsc.eu) nachlesen kann, die Opferzahlen zwischen 2001 und 2010 zwar deutlich gesunken: -48% in Frankreich, -40% in Deutschland oder -32% in Luxemburg.
Und doch starben im Jahr 2011 allein in Frankreich gut zweieinhalb Mal so viele Menschen im Straßenverkehr (3.970) wie damals mit der Titanic untergingen. Aber weil sich das Massaker auf der Straße aus Zehntausenden von Einzel-Unfällen zusammensetzt, interessiert es die meisten eher nur am Rande.
Zumindest solange sie nicht persönlich betroffen sind.

Neue Gefahren

Wenn tausend Menschen auf einmal dran glauben müssen, ringt der Mensch die Hände: Wie furchtbar, wie schrecklich!
Doch die endlose Abfolge individueller Verkehrsopfer auf den Faits-divers-Seiten scheint den meisten Zeitgenossen den Blick auf das Gesamtbild konsequent zu verstellen.

Die Tragödie auf den Straßen ist weitaus furchtbarer als das, was sich in der Luft oder zur See ereignet, und doch begegnet man ihr mit einer gewissen Gleichgültigkeit, einem gewissen Fatalismus … solange man nicht persönlich betroffen ist.

Das Schlimme daran ist: Bei den allermeisten dieser Ereignisse handelt es sich eben nicht um „Unglücke“ im eigentlichen Sinne des Wortes, d.h. um ein tragisches Geschehen, an dem kein Mensch Schuld trägt: etwa wenn jemand trotz vorsichtiger Fahrweise unverhofft auf Glatteis gerät und gegen einen Baum schlittert.

Nein, die meisten Toten und Verletzten des Straßenverkehrs fallen Dummheit und Rücksichtslosigkeit ihrer Mitmenschen zum Opfer: in erster Linie Suff und Raserei. Wobei sich zu diesen beiden sattsam bekannten Faktoren neuerdings ein weiteres Phänomen hinzugesellt: Immer öfter sieht man Fahrer vom rechten Kurs abkommen, nicht weil sie betrunken wären, sondern weil sie SMS oder Mails schreiben, ihren Terminkalender auf Smartphone oder Tablet vervollständigen oder ihr Navi neu füttern.

Das muss man sich mal vorstellen: Es gibt Leute, die mal eben einen anderen Menschen umbringen oder zum Krüppel fahren, nur weil sie der Liebsten zuhause dringendst mitteilen müssen, dass sie schon mal die Pizza in den Ofen schieben soll.
Wahnsinn? Traurige Realität!